Kenia:Kommt nicht in die Tüte

Das ostafrikanische Land sagt nun dem ausufernden Gebrauch von Plastikbeuteln den Kampf an - drakonische Strafen sollen sie aus dem Alltag verbannen helfen.

Von Bernd Dörries, Nairobi

A woman carries a plastic bag on her head as she walks past a wall with various campaign posters on a street in Nairobi

Die Tüte gehörte in Kenia zum Alltag – nun sind ihre Tage gezählt.

(Foto: Marko Djurica/Reuters)

Wer eine Tüte herstellt, verkauft oder benutzt, wird in Kenia künftig mit bis zu vier Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 32 000 Euro bestraft. Das neue Verbot von Plastiktüten, das Ende August in Kenia in Kraft getreten ist, zeigt: Das Land macht Ernst im Kampf gegen die Plastik-Flut. Lange waren Tüten im kenianischen Alltag eine Art Höflichkeitsgeste. Kaufte man eine Dose Cola, wurde sie mehrfach mit Plastik umwickelt. Kenia kam deshalb auf einen Jahresverbrauch von 300 Millionen Plastiktüten im Jahr, so eine Schätzung des Umwelt-Programms der Vereinten Nationen (UNEP), das seinen Sitz in Nairobi hat.

Bei 48 Millionen Kenianern bedeutet das einen Schnitt von sechs Tüten pro Mensch und Jahr. Das liegt zwar deutlich unter dem deutschen Verbrauch von 45 Tüten, doch weil in Kenia wenig recycelt, aber viel weggeschmissen wird, war die Lage zuletzt durchaus dramatisch. In Nairobis Schlachthäusern fanden sich nicht selten Kühe mit mehr als 20 Tüten im Magen, wodurch das Plastik auch den Weg in die Nahrungskette fand. Auch am Ende dieser Nahrungskette leistete die Tüte ihre Dienste: In den Slums von Nairobi wurde sie für die Notdurft benutzt, wenn die wenigen öffentlichen Toiletten überfüllt waren. Die weggeworfenen Beutel verstopften anschließend die Flüsse.

Touristen werden am Flughafen aufgefordert, ihre Beutel nicht mit ins Land zu bringen

Zehn Jahre lang haben verschiedene kenianische Regierungen daran gearbeitet, die Tüten zu verbieten. Mal wurde die Dicke des Plastiks reduziert, was letztlich niemand nachprüfen konnte, mal wurde der Gesetzgebungsprozess verschleppt, weil es durchaus eine Lobby für die Tüte gibt, lokale Produzenten und deren Vertriebsleute. Deren Verband befürchtet den Verlust von 60 000 Arbeitsplätzen, weil Kenia nicht nur Tüten für den nationalen Markt, sondern für ganz Ostafrika produzierte. Das ist nun illegal. Wie intensiv die Einhaltung des Verbots kontrolliert wird, steht auf einem anderen Blatt.

Umweltministerin Judy Wakhungu sagte, das Gesetz mit seinen drakonischen Strafen richte sich vor allem an die Hersteller; Privatleute, die mit einer Tüte erwischt werden, hätten vorerst nichts zu befürchten. In sozialen Netzwerken berichten Kenianer aber, sie seien bei Polizeikontrollen darauf hingewiesen worden, dass man gegen eine kleine Gebühr von der Strafverfolgung wegen unerlaubten Tüten-Besitzes absehen werde. Touristen werden am Flughafen aufgefordert, ihre Tüten nicht mit ins Land zu bringen.

Die großen Supermarktketten des Landes haben in den Wochen seit dem Verbot auf Papier- und Stoffbeutel umgestellt. Anderen Händlern fällt das nicht so leicht. Ein Besitzer einer mobilen Küche im Slum von Kibera klagte, dass ihm die Kunden wegblieben, seitdem er sie bitten muss, einen Teller an seinen Essenstand mitzubringen - früher füllte er den Eintopf einfach in eine Tüte.

Die Regierung hofft, dass das Verbot der Tüten neue Arbeitsplätze und Innovationen hervorbringt. Im ländlichen Raum werden bereits Sisal-Körbe verkauft. "Kenia entledigt sich eines unschönen Flecks auf seiner wunderschönen Natur", sagte UNEP-Chef Erik Solheim. "Wir können dem Land nur applaudieren." Afrika ist beim Plastiktütenverbot Vorreiter, in Ruanda sind sie bereits seit 2008 verboten, zehn weitere Länder haben ähnliche Gesetze erlassen oder in der Planung. Darunter auch Ghana, wo bei einer Sturmflut vor einigen Jahren bis zu 150 Menschen ums Leben gekommen sind, weil Plastiktüten die Abwasserrohre verstopft hatten, was zu Überschwemmungen führte.

Die EU will ihren Verbrauch bis 2025 auf maximal 40 Tüten pro Kopf und Jahr reduzieren. Aus der Sicht vieler Umweltschützer zu wenig. Plastiktüten brauchen bis zu 1000 Jahre, um zu verfallen. Sie sind ein Hauptbestandteil der acht Millionen Tonnen Plastikmüll, die jährlich ins Meer gekippt werden. Wenn das so weitergeht, warnen die UN, wird es in den Ozeanen 2050 mehr Plastik als Fisch geben.

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