Kenia:Ein Sieg mit Nachspiel

Kenia: In einem Slum in Nairobi liefern sich Unterstützer der Opposition Straßenschlachten mit der Polizei.

In einem Slum in Nairobi liefern sich Unterstützer der Opposition Straßenschlachten mit der Polizei.

(Foto: Ben Curtis/AP)

Nach dem Boykottaufruf der Opposition ist die Wahlbeteiligung im Land extrem niedrig - und die gewaltsamen Proteste halten an.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Nach der Wahlwiederholung in Kenia kommt das Land nicht zur Ruhe. Laut ersten Hochrechnungen erhielt Präsident Kenyatta 98 Prozent der Stimmen, allerdings war nur ein Drittel der Wahlberechtigten zur Abstimmung erschienen. Raila Odingas Oppositionsbündnis Nasa sprach von einer "Farce" und forderte Neuwahlen innerhalb von neunzig Tagen. Das Verfassungsgericht, das über einen neuen Urnengang entscheiden müsste, konnte aber bisher nicht wieder zusammentreten, da die Mehrzahl seiner Richter nicht erschienen war. Einige von ihnen hatten Todesdrohungen bekommen, der Leibwächter der stellvertretenden Vorsitzenden war bei einem Anschlag verletzt worden.

Auch am Freitag hat die kenianische Wahlkommission noch kein Ergebnis der Präsidentschaftswahlen vom Donnerstag vorlegen können. Ihr Leiter Wafula Chebukati teilte mit, die Wahlbeteiligung habe bei 33 Prozent gelegen, am Abend davor hatte er noch von 48 Prozent gesprochen. Auch bei der Anzahl der überhaupt geöffneten Wahllokale machte er unterschiedliche Angaben, mal will er von 36 842 Stationen die Ergebnisse erhalten haben, dann behauptet er, nur in 35 564 sei überhaupt abgestimmt worden. In vier Landkreisen war die Wahl auf Samstag verschoben worden, weil die Wahllokale wegen gewalttätiger Proteste bisher nicht öffnen konnten.

Am Freitag wurde die Abstimmung dort erneut verschoben - auf unbestimmte Zeit.

Das endgültige Ergebnis ist für viele Kenianer aber ohnehin zweitrangig, weil Oppositionsführer Raila Odinga seine Kandidatur bereits vor zwei Wochen zurückgezogen und seine Anhänger zum Boykott aufgerufen hatte. Odinga hatte im ersten Wahlgang am 8. August 45 Prozent erhalten, Amtsinhaber Uhuru Kenyatta 54 Prozent. Damals lag die Beteiligung bei knapp achtzig Prozent. Das Verfassungsgericht hatte die Wahl anschließend wegen schwerer Mängel aber für ungültig erklärt.

Bei der Nachwahl hat es nach Ansicht von Beobachtern nun aber noch einmal deutlich mehr Mängel gegeben. Die Zeitung Daily Nation schrieb am Freitag, Kenia sei nun "noch gespaltener und instabiler" als zuvor. Das Land brauche dringend eine "politische Lösung". Bis zum Freitag wurden bei Auseinandersetzungen mit der Polizei mindestens sechs Menschen getötet. Viele Kenianer fürchten sich vor einer weiteren Eskalation: Nach der Wahl 2007 waren bei Ausschreitungen etwa 1500 Menschen ums Leben gekommen. Beide Lager waren aber anschließend zu einem Kompromiss gekommen und hatten die Macht geteilt. Kenias Parteienlandschaft verläuft seit Jahrzehnten entlang ethnischer Trennlinien. Raila Odingas Oppositionsbündnis besteht mehrheitlich aus Luo, die sich seit der Unabhängigkeit 1963 vernachlässigt fühlen und Präsident Kenyatta vorwerfen, seine Ethnie der Kikuyu massiv zu bevorzugen. Die Lebenserwartung in der Oppositionshochburg Kisumu liegt bei etwa 40 Jahren, mehr als 20 Jahre unter dem Landesdurchschnitt. Eine Verfassungsänderung 2010 sollte den Regionen mehr Unabhängigkeit und finanziellen Spielraum gewähren. Doch das Gefühl der Vernachlässigung blieb. Viele Anhänger Odingas in der Region um den Viktoriasee sprechen mittlerweile laut davon, sich vom Rest Kenias abspalten zu wollen.

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