Süddeutsche Zeitung

Kein Elterngeld mehr für Reiche:Symbolpolitik à la Schwarz-Gelb

Die Koalition will den Reichen das Elterngeld streichen. Eine Idee, die an Absurdität kaum zu übertreffen ist. Hartz-IV-Empfänger tragen weiterhin den Großteil der Kürzungen.

Thomas Öchsner

Den Vorwurf, kaltherzig zu sein, hört keine Regierung gern. Die konservativ-liberale Koalition, die wegen ihres Sparpakets seit Monaten in der Kritik ist, wollte deshalb einmal etwas für ihr Image tun. Herausgekommen ist dabei eine Idee, die an Absurdität kaum zu übertreffen ist.

Schwarz-Gelb will den Müttern und Vätern, die Reichensteuer bezahlen, das Elterngeld streichen. Das aber ist ungefähr so wirkungsvoll, als wenn umgekehrt ein hochverschuldeter Bürger auf der Straße nach Geld suchte, um seine Kredite zu tilgen.

Das Elterngeld sollte für Berufstätige ein Anreiz sein, Nachwuchs in die Welt zu setzen. Denn damit gleicht der Staat Einkommenseinbußen wegen der Betreuung der Kinder zu Hause zumindest teilweise aus. So absurd sich dies anhört: Rein systematisch gesehen ist deshalb die Streichung des Elterngelds für Hartz-IV-Empfänger richtig, sofern diese nicht arbeiten. Und die für die Reichen ist falsch, sofern sie berufstätig sind. Darum allerdings ging es der Regierung bei der Entscheidung, Vermögenden das Elterngeld wegzunehmen, nicht.

Die Koalition will den Anschein erwecken, gerecht zu sein und sowohl bei den Armen als auch den Reichen zuzugreifen. Tatsächlich trifft die Streichung des Elterngelds jedoch nur 2200 Reichen-Haushalte. Der dadurch eingesparte Betrag von nicht einmal fünf Millionen Euro ist so gering, dass sich die Frage stellt, ob dies den zusätzlichen Verwaltungsaufwand rechtfertigt.

Den ganz überwiegenden Teil der Elterngeld-Kürzung tragen weiter die Hartz-IV-Empfänger, darunter etwa 50.000 alleinerziehende Mütter. Diese Art von Symbolpolitik sollte die Koalition dem Land künftig ersparen.

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Quelle:
SZ vom 27.10.2010/jab
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