Süddeutsche Zeitung

Berater-Affäre im Verteidigungsministerium:"Daran habe ich keine Erinnerung"

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Von Mike Szymanski, Berlin

Bräuchte die Bundeswehr nicht gerade jetzt genau so eine Frau? Der Wehrbeauftragte des Bundestages hat gerade wieder beklagt, dass in der Bundeswehr nichts wirklich vorangeht. Das Beschaffungswesen sei sogar "dysfunktional". Die Truppe brauche eine Reform. Die Frau stellt sich vor: 48 Jahre alt, Physikerin. Sie war Unternehmensberaterin, Top-Managerin bei McKinsey und kennt sich aus mit der Digitalisierung. So gut, dass die Kanzlerin sie in den Digitalrat der Bundesregierung berufen hat. Im Kanzleramt geht sie als Expertin ein und aus. Diesen Raum im Bundestag, Sitzungssaal 3101, nur ein paar Hundert Meter vom Kanzleramt entfernt, betritt sie am Donnerstag aber nicht als Expertin, sondern als Zeugin. Und mit ihrem Anwalt. Die Frau heißt Katrin Suder.

Suder war unter der früheren Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) von 2014 bis 2018 Rüstungsstaatssekretärin. Sie war die eigentlich schillernde Figur. Die Frau an der Seite der Ministerin, mit der von der Leyen die Bundeswehr modernisieren wollte. Ihr Problem ist: Sie hatte ihre Chance bei der Bundeswehr, und nach Ansicht vieler Abgeordneter, die ihr nun im Halbkreis gegenübersitzen, hat sie die Bundeswehr nicht aus der Misere herausgeführt, sondern geradewegs hinein in die nächste - in die Abhängigkeit von Beratern, die fortan ein lukratives Auskommen mit der Bundeswehr hatten.

Weil reihenweise Aufträge am Vergaberecht vorbei an Berater gingen, mitunter Millionen Euro schwere Projekte, befasst sich ein Untersuchungsausschuss mit diesen Vorgängen. Ein Jahr lang hat der Untersuchungsausschuss auf diesen Tag hingearbeitet, in 15 Sitzungen Zeugen dazu gehört, wie die Berater schalten und walten konnten im Haus.

Nun geht die Arbeit in die Schlussphase: heute Suder, Mitte Februar kommt die Ex-Ministerin, die heute EU-Kommissionspräsidentin ist. Es geht auch um die Frage, ob beiden Frauen das große Scheitern nachgewiesen werden kann. So weit ist es am Donnerstag aber zunächst nicht. Aber der Termin mit Suder zeigt abermals, wie eng Berater und Hausspitze in dieser Zeit miteinander verwoben waren - und wie das bei denen ankam, die nicht zu diesem Freundeskreis gehörten.

Damit wird Suder stundenlang konfrontiert: Es dauerte nicht lange, bis alte Bekannte von ihr schnell mit im Geschäft waren. Herr T. zum Beispiel, mit dem arbeitete sie bei McKinsey zusammen. Er bekam den Auftrag, eine Veranstaltung zu moderieren - weil die Chemie mit Suder stimme, wie es in den Dokumenten heißt. 14 000 Euro stellte er in Rechnung. Sachbearbeiter verfolgten dies mit Argwohn. Sie empfanden es als "unmissverständliche Anweisung", dass T. den Auftrag bekommen sollte. Ein anderer Bekannter Suders aus früherer Zeit schaffte es als Geschäftsführer an die Spitze einer Bundeswehr-Tochterfirma.

Privat ganz eng war Suder mit einem Berater vom Beraterkonzern Accenture. Die Familien machten sogar Urlaube zusammen. Der Mann war auch sonst extrem gut verdrahtet. Zur Taufe seiner Kinder kamen gleich eine Hand voll führender Bundeswehrangehöriger, auch ein General aus der Hausspitze. Accenture war schon vor Suders Zeit fürs Ministerium tätig. Aber jetzt sah der Manager goldene Zeiten auf seine Firma zukommen. Damit prahlte er in seinem Unternehmen. Und es ging um Millionenaufträge, in denen es Druck aus der Hausspitze gab, sie an Accenture zu vergeben. Eine leitende Beamtin hatte ausgesagt, als man sich für das Projekt entschieden habe, sei klar gewesen: "Wir machen es mit Accenture."

Suder machte gleich zu Beginn der Vernehmung klar, dass sie "gerade wegen ihrer Erfahrungen" in der Beraterindustrie geholt worden sei. Konsequenterweise würden ihr Ex-Kollegen über den Weg laufen. Sie sei im Ministerium immer transparent damit umgegangen, wenn sie Bekannte oder Kollegen von früher traf - oder holte. Sie machte klar, dass sie sich jedoch aus Auftragsvergaben konsequent herausgehalten habe. Nur, wenn es konkret um Treffen und Besprechungen geht, die Abgeordneten ihr Belastendes vorhalten, dann fällt häufig ein Satz: "Daran habe ich keine Erinnerung."

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SZ vom 31.01.2020
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