Katholische Kirche:"An den Taten werden wir gemessen werden"

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Georg Bätzing, Bischof von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz tritt dafür ein, dass es Priestern freigestellt wird, ob sie ehelos leben wollen. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Die katholische Kirche in Deutschland steht unter so großem Reformdruck wie wohl nie zuvor. Bei der Synodalversammlung sollen bis Samstag erste Beschlüsse gefasst werden. Ein prominenter Kardinal ist schon mal vorgeprescht.

Zu Beginn der dritten Tagung des katholischen Reformdialogs Synodaler Weg wächst der Druck auf die deutschen Bischöfe, Kirchenreformen zu verabschieden. Bis Samstag könnten in Frankfurt am Main bereits erste konkrete Beschlüsse gefasst werden, erklärte das Präsidium. Diskutiert werden unter anderem Segnungen für homosexuelle Paare, Mitsprache von Gläubigen bei der Bischofswahl und eine Lockerung des Zölibats. Den Reformbeschlüssen müssen allerdings zwei Drittel der Bischöfe zustimmen.

Tatsächlich verabschiedete der seit 2019 laufende Synodale Weg bereits am Donnerstag erstmals Reformtexte. So votierte die Synodalversammlung mit breiter Mehrheit für ein 20-seitiges Grundsatzpapier. Es trägt den Titel "Auf dem Weg der Umkehr und der Erneuerung" und hält so die theologischen Fundamente für die weiteren Beschlüsse fest. Wichtigste Quellen für Christen sind demnach die Bibel, die Tradition, das Lehramt, die Theologie sowie - das ist entscheidend und neu - die "Zeichen der Zeit und der Glaubenssinn des Volkes Gottes". In der Aussprache ging es vor allem um die Frage, welche Stellung diese "Zeichen der Zeit" haben. Das Votum galt als erster Test für die weiteren Abstimmungen. Anschließend wurde auch ein Text angenommen, in dem es um einen anderen Umgang mit Macht geht. Aktuell bestehe zwischen dem Anspruch des Evangeliums und der Ausübung von Macht in der Kirche eine Kluft.

Die Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens und die damit verbundene Falschaussage von Papst Benedikt haben in der Kirche eine Atmosphäre der Dringlichkeit erzeugt. "München hat die Situation nochmal ernster gemacht, als sie es längst schon ist", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Unabhängige Gutachter hatten aufeinander folgenden Münchner Erzbischöfen und anderen Verantwortlichen Versagen beim Umgang mit sexuellem Kindesmissbrauch vorgeworfen.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hatte sich einen Tag vor der Synodalversammlung für die Abschaffung des Pflichtzölibats ausgesprochen. "Es wäre besser für alle, die Möglichkeit für zölibatäre und verheiratete Priester zu schaffen", sagte Marx in der Süddeutschen Zeitung. "Bei manchen Priestern wäre es besser, sie wären verheiratet. Nicht nur aus sexuellen Gründen, sondern weil es für ihr Leben besser wäre und sie nicht einsam wären."

Bätzing schloss sich dem an. Er sei nicht gegen den Zölibat, betonte er, aber er sei dafür, dass es den Priestern freigestellt werde, ob sie ehelos leben wollten. "Das war immer meine Überzeugung: Ich kann nicht sehen, dass nicht die Ehe und das Priesteramt eine gemeinsame Bereicherung für diesen Dienst und für das gemeinsame Leben von Eheleuten geben könnte", sagte Bätzing.

Die Abschaffung des Pflichtzölibats wäre nach Einschätzung des Kirchenrechtlers Thomas Schüller im Grunde gar keine so große Sache. "Das ist überhaupt nicht ketzerisch oder revolutionär", sagte Schüller. "Der Pflichtzölibat ist kein Glaubenssatz, sondern eine disziplinäre Norm und kann geändert werden, ohne in den Glaubensschatz der katholischen Kirche einzugreifen." Marx beschreibe nur, was in der Geschichte der katholischen Kirche viele Jahrhunderte gängige Praxis gewesen sei.

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, wies darauf hin, dass die reformorientierten Kräfte in der Synodalversammlung deutlich in der Mehrheit seien. Sie zeigte sich optimistisch, dass das auch für die Bischöfe gelte: "Wir als ZdK sind dankbar, dass wir schon jetzt klar sehen, dass eine größere Zahl reformwilliger Bischöfe entschlossen sind, wirkliche Veränderungen voranzutreiben."

Die Synodalversammlung ist das zentrale Beschlussgremium

Der derzeit laufende Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland wird als Synodaler Weg bezeichnet. Ausgelöst worden ist das Bemühen um Erneuerung durch den Missbrauchsskandal. Der Synodale Weg umfasst vier Punkte: die katholische Sexualmoral, die Position der Frau in der Kirche, den Umgang mit Macht und den Zölibat, die priesterliche Ehelosigkeit.

Die Synodalversammlung ist das zentrale Beschlussgremium des Prozesses. Getragen wird der Synodale Weg von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, also von Bischöfen und Laien gleichermaßen. Kritiker werfen den beiden Gremien vor, nur ein Schauspiel für die Gläubigen vorzuführen. Letztlich könnten sie gar keine tiefgreifenden Reformen beschließen, weil Rom immer das letzte Wort habe.

Sowohl Bätzing als auch Stetter-Karp wiesen diese Kritik am Donnerstag in deutlichen Worten zurück. Erstens gebe es viele Felder, auf denen die deutschen Katholiken eigenständig entscheiden könnten, und zweitens würden viele der Punkte auch in der Weltkirche diskutiert. Man solle einfach mal das Ende des Prozesses abwarten und dann urteilen, sagte Stetter-Karp: "An den Taten werden wir gemessen werden."

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