Katholische Kirche:Warten auf ein "Zeichen der Reue"

Verleihung des Karlspreises 2015 an den Präsidenten des europäischen Parlaments Martin Schulz in Aac

Da waren sie noch im Amt: Der frühere Aachener Dompropst Manfred von Holtum und der frühere Bischof Heinrich Mussinghoff (von links) im Jahr 2015. Ein Gutachten wirft ihnen vor, sich mehr um den Schutz der Täter als das Leid der Opfer gekümmert zu haben.

(Foto: Rudolf Gigler/imago stock&people)

Nach einem Gutachten zu sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Aachen fordert der neue Bischof klare Worte von seinem Vorgänger. Der solle seine Verantwortung anerkennen - und Geld für einen Hilfsfonds spenden.

Von Annette Zoch, München

Der Aachener Bischof Helmut Dieser wünscht sich nach der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens von seinem Vorgänger Heinrich Mussinghoff und dem früheren Generalvikar Manfred von Holtum ein "Zeichen der Reue". "Es geht darum, die eigene persönliche Verantwortung im systemischen Ganzen anzuerkennen", sagte Dieser am Montag in einer Pressekonferenz zu den zentralen Ergebnissen des Gutachtens.

Die Untersuchung der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) war am vergangenen Donnerstag vorgestellt worden. Es war das erste ohne Einschränkungen erstellte Missbrauchsgutachten aus einer deutschen Diözese und das erste, das auch die Frage nach Verantwortlichkeit stellte und dabei Namen nannte. Bischof Dieser und sein Generalvikar Andreas Frick hatten erst am Donnerstag vom Inhalt des Gutachtens erfahren. "Das waren wir den Betroffenen schuldig", sagte Dieser.

Wichtig sei nun, einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Weg von den Klerikern, hin zu den Betroffenen. "Wir müssen einen Kulturwandel anstoßen und den Klerikalismus überwinden. Die Priesterweihe und das geistliche Amt schützen nicht vor Haftung und Ahndung." Das Gutachten hatte Mussinghoff, von Holtum und weiteren, bereits verstorbenen Bischöfen und Generalvikaren attestiert, nicht an der Fürsorge für die Betroffenen interessiert gewesen zu sein, sondern sich "primär am Täterschutz" orientiert zu haben.

In Köln bleibt ein ähnliches Gutachten unter Verschluss

Vor der Veröffentlichung des Gutachtens hatten die beiden darauf hingewiesen, dass dieses aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht veröffentlicht werden dürfe. Mit ähnlichen Argumenten und der Begründung, es lägen "methodische Mängel" vor, hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki der Kanzlei WSW die Veröffentlichung eines ähnlichen Gutachtens für das Erzbistum Köln vor fast drei Wochen untersagt. Seither gibt es massive Kritik an Woelki, bis hin zu Rücktrittsforderungen aus der eigenen Diözese.

Er habe Altbischof Mussinghoff, inzwischen 80 Jahre alt, am Samstag besucht, sagte Dieser. "Wir konnten sehr offen sprechen." Er habe bei ihm "Unruhe, Suche, Verunsicherung" wahrgenommen. Und er habe ihm geraten, auf juristische Schritte zu verzichten - um nun eine wirkliche Aufarbeitung möglich zu machen. "Können wir es uns angesichts des Leids leisten, nur wieder um uns selbst zu kreisen?", fragte Bischof Dieser. "Dieses schreckliche Bild haben wir in der Öffentlichkeit oft genug abgegeben." Es gehe auch um Rechtsfragen, aber auch darum, "unter welchem Anspruch wir stehen", sagte Generalvikar Andreas Frick - "unter dem des Evangeliums". Ja, es gehe um Persönlichkeitsrechte: "Um das schwere Unrecht, das den Persönlichkeiten von Kindern und Jugendlichen angetan wurde."

Die Verantwortlichen sollen Geld spenden

Bischof Dieser kündigte an, einen Fonds einzurichten, aus dem zum Beispiel Therapien für Missbrauchsopfer finanziert werden sollen. Das Geld dafür soll jedoch nicht aus Kirchensteuereinnahmen kommen, sondern aus freiwilligen Zahlungen von Priestern und Bischöfen, insbesondere von früher Verantwortlichen.

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