Süddeutsche Zeitung

Katholische Kirche:Verblüffendes aus dem Vatikan

Rom irritiert liberale Reformer - und jetzt auch Anhänger der Alten Messe: Eine Umfrage unter Bischöfen könnte erzkonservativen Latein-Fans ein unliebsames Ergebnis bescheren.

Von Robert Probst

Der Vatikan erscheint aus der Ferne oft wie eine Wundertüte. Heraus kommt dann, was man gerade nicht erwartet. So erst jüngst wieder, als die deutschen Bischöfe von einer Ansage überrascht wurden, dass Pfarrgemeinden gefälligst bitte nur von Pfarrern und nicht von Laien geleitet werden sollen. Der Aufschrei unter den Laien, aber auch unter den fortschrittlichen und liberalen Männern an vielen Bistumsspitzen war gewaltig. Rom bremst mal wieder bei den Reformen, die unabweisbar nötig wären, um die katholische Kirche in eine halbwegs gute Zukunft zu führen - so war der allgemeine Tenor. Doch der Vatikan kann auch anders. Noch bis Ende Juli läuft von dort aus eine Umfrage, die vor allem bei Traditionalisten und Erzkonservativen gewisse Ängste auslöst.

Wer die lateinische Messe verbiete, ächte die Historie der Kirche, sagte Ratzinger einst

Es geht bei dieser Erhebung, die auf einen Wunsch von Papst Franziskus zurückgehen soll, um die alte Form der Messe in lateinischer Sprache, die der Priester mit dem Rücken zum Volk zelebriert. Diese sogenannte "Tridentinische Messe" war den Reformern des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 - 1965) ein Dorn im Auge. Sie etablierten die Feier der Messe in der jeweiligen Landessprache und die Hinwendung der Priester zu den in der Kirche versammelten Gläubigen. Seit 1970 war die "Tridentinische Messe" verboten - eigentlich. Sie erfreute sich aber nach wie vor zahlreicher Anhänger. Die Radikalen unter ihnen, zumal die Piusbrüder, erkannten die moderne Liturgie nicht an - ja sie bezeichneten sie als schädlich und irreführend, weil sie den wahren Opfercharakter der heiligen Messe verdecke und Elemente des protestantischen Abendmahls enthalte.

Doch nicht nur Leute vom ganz rechten Kirchenrand sahen das so. "Wer die Alte Messe verbietet, der ächtet damit die ganze Vergangenheit der Kirche. Wie sollte man ihrer Gegenwart trauen, wenn es so ist?", sagte einst Kardinal Joseph Ratzinger, lange bevor er Papst wurde. Als Papst Benedikt XVI. ließ er 2007 die alte Form weitgehend wieder zu. Als "außerordentliche Form" steht sie heute neben der "ordentlichen Form" des römischen Ritus, also der Feier nach den Messbüchern, die nach der Liturgiereform herausgegeben wurden. Die "ordentliche Form" bildet weiterhin den Normalfall, eine kleine Minderheit hält am lateinischen Ritus fest. Die Laienvereinigung "Pro Missa Tridentina", die sich für diese alte Gottesdienstform einsetzt, zählt bundesweit 150 Orte, an denen der Ritus derzeit zelebriert wird, so die Nachrichtenagentur dpa.

Beim Thema Gemeindereform will die Kongregation die Zweifel deutscher Bischöfe beseitigen

In dem Fragebogen der Glaubenskongregation an die Bischöfe will Rom nun etwa wissen, ob die vorkonziliare Messe wegen eines "pastoralen Bedürfnisses" gefeiert oder ob deren Praxis "von einem einzelnen Priester gefördert" werde. Weiterhin sollen die Bischöfe "positive oder negative Aspekte" der vorkonziliaren Messe anführen, so berichtete etwa die Herder Korrespondenz. Die Deutsche Bischofskonferenz hat nach Angaben einer Sprecherin noch keine Zahlen, weil der Vatikan noch sammelt. Die Latein-Fans sehen aber schon aufgrund der Fragen ihre Sonderstellung bedroht. Allzu große Sorgen sind aber wohl nicht angezeigt, erst im Frühjahr hatte der Vatikan neue Bestimmungen für die Messfeier nach den alten Büchern vor 1962 veröffentlicht.

Beim Thema Gemeindereform zeigte sich der Vatikan am Mittwoch gesprächsbereit. Die Kleruskongregation werde die deutschen Bischöfe gern empfangen, um deren Zweifel und Verblüffung zu beseitigen, sagte der Leiter der Kongregation, Kardinal Beniamino Stella, der Katholischen Nachrichtenagentur. Der Besuch der Bischöfe könne stattfinden, "wenn sie das wünschen", und "zu gegebener Zeit". Die Frage, welchen Impuls sich der Vatikan von dem Dokument in Deutschland erhofft, wollte der Kardinal allerdings nicht beantworten. Womöglich wäre auch bei diesem Thema eine vorherige Umfrage sinnvoll gewesen.

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SZ vom 30.07.2020
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