Katholische Kirche und Schwarz-Gelb:Sorge vor sozialer Kälte

Eine bürgerliche Koalition ist an die Regierung gekommen - kirchennäher als die alte ist sie nicht: Die katholische Kirche wird mit Schwarz-Gelb nicht warm.

Matthias Drobinski

Fast eineinhalb Stunden blieb die Kanzlerin, in den hektischen Nachwahl-Zeiten eine kleine Ewigkeit. Lauschte der Rede von Erzbischof Robert Zollitsch, dem Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, mischte sich unter die 800 Gäste in der katholischen Akademie Berlin, ließ sich gratulieren, plauderte. Nur einmal überkam sie die Müdigkeit, und zwar, als Zollitsch seine "Überlegungen am Beginn einer neuen Legislaturperiode" vortrug. Da fielen Angela Merkel für einen kurzen Moment die Augen zu.

Katholische Kirche, Schwarz-Gelb, dpa

Die katholische Kirche wird mit Schwarz-Gelb nicht warm.

(Foto: Foto: dpa)

Merkels Sekundenschlaf beim traditionellen Michaels-Empfang des katholischen Büros, der Lobby der Bischofskonferenz beim Bundestag, kam nicht von ungefähr: Zollitsch, eigentlich ein kluger Mann, eierte durch einen Text, der zeigte, wie sehr die katholischen Bischöfe noch mit einer schwarz-gelben Koalition fremdeln.

Die Familie solle gestärkt werden, sonst wachse die Gewalt; Frauen sollten nicht gezwungen werden, ihre Kinder in Krippen zu schicken - das sind die Stichworte, mit denen Zollitschs konservative Bischofskollegen Angela Merkels CDU vorwerfen, sie habe die christlichen Werte nicht mehr im Blick. Ja, Freiheit sei wichtig, fuhr der Freiburger Erzbischof fort, sie habe aber Grenzen - in der Wirtschaft, bei der Forschung. Das war Richtung FDP gesprochen.

Es gab am Ende in Deutschland nicht mehr viele Freunde der großen Koalition. Doch die Kirchenleitungen, katholisch wie evangelisch, gehörten bis zuletzt dazu. Die Arbeitnehmerflügel von SPD und Union sorgten dafür, dass das Soziale nicht aus dem Blick geriet, die Christdemokraten vertraten Kirchenpositionen in Bildungs- und Kulturdebatten, die Arbeit der SPD-Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul war ganz im Sinne der kirchlichen Hilfswerke.

FDP und die Kirchen sind sich nicht näher gekommen

Und so war der Michaels-Empfang auch ein Abschiedstreffen für Schwarz-Rot: Viele CDU-Politiker und -Minister waren da, auch ein Häuflein Sozialdemokraten suchte Trost. Doch Freidemokraten sah man nur vereinzelt.

Seit dem Ende der schwarz-gelben Ära von Helmut Kohl 1998 sind sich FDP und die Kirchen nicht näher gekommen. Katholiken wie Protestanten sind gegen Steuersenkungen - die FDP fordert sie heftig. Beide Kirchen sind gegen die Lockerung des Kündigungschutzes und sehen mit Sorge, dass die FDP das Entwicklungshilfeministerium dem Außenministerium zuordnen will.

Bei der SPD sind viele den Kirchen verbundene Abgeordnete wie Kerstin Griese nicht mehr im Parlament vertreten; die CSU, die in den vergangenen vier Jahren dem Sozialkatholisch-Konservativen eine Stimme gab, schickt nur noch halb so viele Parlamentarier in den Bundestag wie die FDP. Und die Kirchen fürchten, dass die Liberalen die Politiker vom CDU-Wirtschaftsflügel ermuntern könnten, sich deutlicher zu ihrer Haltung zu bekennen. Auch mental sind vor allem FDP und katholische Kirche verschieden: Liberal ist dort fast ein Schimpfwort.

Nun ist - nach landläufiger Definition - eine bürgerliche Koalition an die Regierung gekommen, kirchennäher als die alte ist sie allerdings nicht. Prälat Karl Jüsten, der Leiter des katholischen Büros, begrüßte Angela Merkel mit den Worten: "Frau Bundeskanzlerin, Sie müssen weiter mit uns rechnen." Es war launig gemeint, doch schwang eine Mahnung mit: Wir sind nicht einfach die Verbündeten eurer Politik. Die Kanzlerin nahm es gelassen, plauderte sich von Stehtisch zu Stehtisch - um eine Rede war sie nicht gebeten worden.

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