Süddeutsche Zeitung

Das Politische Buch:Schuld der ganzen Institution

Die katholische Kirche versucht, sich kritisch mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. Der Politologe David Ranan zeigt auf, wo sie dabei falschliegt.

Von Annette Zoch

"Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa" - durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld - diese Zeilen aus dem Confiteor, dem Schuldbekenntnis, sprechen Katholikinnen und Katholiken weltweit zu Beginn jeder Messe. Doch was ist mit der Institution selbst, der katholischen Kirche als Ganzes - ist sie in der Lage, ein wirkliches "Mea Culpa" zu formulieren?

Entlang dieser Frage analysiert der deutsch-britisch-israelische Politologe David Ranan drei Versuche der katholischen Kirche aus der jüngeren Vergangenheit, sich mit ihrer auch abgründigen Geschichte auseinanderzusetzen.

Ranan beleuchtet die späte Rehabilitierung des von der Inquisition verbannten Astronomen Galileo Galilei. Er widmet sich dem jahrhundertelangen, von zahlreichen Päpsten und Konzilien angeheizten, von Priestern gepredigten und von Katholiken verinnerlichten Hass auf Juden als den "Christusmördern", der schließlich den ideellen Nährboden bildete für den Holocaust. Und zuletzt den Hunderttausenden Fällen sexuellen Missbrauchs durch Kleriker in der Kirche weltweit und die kriminelle Energie, mit der diese Taten vertuscht wurden.

Ein nüchterner Blick von außen

Ranan wagt einen nüchternen Blick von außen auf die katholische Kirche. Es ist kein Zufall, dass dieses Buch vor der fünften und letzten Versammlung des Synodalen Wegs erscheint, der deutschen Reformdebatte zwischen Klerikern und Laien.

Diese fußt auf den Erkenntnissen aus dem Missbrauchsskandal und will grundlegende Reformen anstoßen, zu Macht- und Gewaltenteilung, der Rolle der Frau, der Sexuallehre.

Ranan meint aber, es gehe nicht darum, warum so viele Priester zu Missbrauchstätern wurden - sondern darum, warum der Missbrauch so lange ungehindert weitergehen konnte. "Die Vertuschungsstrategie der Kirche steht in direktem Zusammenhang mit ihrer Unfähigkeit, ihre eigene Schuld einzugestehen", schreibt Ranan.

Egal ob bei der kirchlichen Judenverfolgung, Galileo Galilei oder dem Missbrauchsskandal, all diese Exkulpationsversuche, so Ranan, hätten eines gemeinsam: Stets habe man eingeräumt, dass Menschen in der Institution Kirche schuldig geworden seien. Nicht aber, dass sich die Institution selbst schuldig gemacht habe.

Ranan trennt zwischen Idee und Institution

Ranan formuliert Papst Franziskus auch gleich eine echte Entschuldigung in den Block: "Unser Verständnis von Kirche hat uns blind gemacht für die Tatsache, dass das, was Christus in die Welt gebracht hatte, eine Idee und keine Institution war. Und während die Idee rein geblieben ist, wie sie war, als Christus sie gegründet hatte, wurde die Institution, die von Menschen geleitet wird, im Laufe der Zeit korrumpiert."

Die Antwort auf die Frage, wie diese Institution sich wieder der Idee Christi annähern kann, bleibt Ranan schuldig. Aber ein Mea Culpa wäre ja ein Anfang.

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