Ist der geplante "Synodale Weg", mit dem die katholische Kirche über Reformen diskutieren will, ein deutscher Sonderweg - gegen Rom? Taucht dieser Vorwurf auf, wird Reinhard Marx, der Münchner Kardinal und Bischofskonferenzvorsitzende, ziemlich raunzig. "Es war immer klar, dass keiner der Bischöfe einen Sonderweg will", ruft er den Journalisten und den geschnitzten Bücherschränken in der altehrwürdigen Bibliothek des Fuldaer Priesterseminars zu, wo er über die Beschlüsse der Herbstversammlung der Bischöfe informiert. "Ich weiß gar nicht, wie man zu einem solchen Vorwurf kommen kann!"
Die Irritationen in Rom seien ausgeräumt, versichert Kardinal Marx. Die gipfelten in einem ziemlich harschen Brief des Kardinals Marc Ouellet, die Deutschen dürften keine verbindlichen Beschlüsse in Fragen fassen, die die gesamte Weltkirche angingen. Nun aber, betont Marx, stelle das Statut der Versammlung sicher, dass es für alle Beschlüsse eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe brauche. Und gehe es um Fragen wie den Zölibat, künstliche Verhütung, das Priestertum der Frau, sei es selbstverständlich, "dass wir in einen Dialog mit dem Vatikan und dem Heiligen Vater treten". Deshalb hätten auch alle Bischöfe zugesagt, den Weg mitzugehen - "trotz mancher Unterschiede".
Die Vorbereitungen für den "Synodalen Weg", bei dem vom 1. Dezember an die Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gemeinsam und offen über Macht in der Kirche, den Zölibat, die kirchliche Sexualmoral und die Rolle der Frauen reden wollen, gehen weiter wie geplant. Und wir sind uns einiger, als Ihr denkt. Das ist die Botschaft des Kardinals an die Journalisten. Die Tage in Fulda sind darauf angelegt, die konservativen Kritiker des Gesprächsprozesses um den Kölner Kardinal Rainer-Maria Woelki und den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer zum Mitmachen zu überreden.
Katholische Kirche:Schwierige Beratungen
Kardinal Marx hat sich in Rom den päpstlichen Segen für den Reformdialog geholt. Doch einfach wird es nicht.
Woelki warnt vor dem "Sonderweg" der Kirche in Deutschland
Am Dienstag kann Woelki in einem Impulsreferat den Mitbrüdern noch einmal seinen Vorschlag für einen Gesprächsprozess unterbreiten, der die Evangelisierung in den Mittelpunkt stellt. Er kritisiert noch einmal "die bislang überbetonte Konzentration auf Strukturfragen" und warnt genau vor dem "Sonderweg" der Kirche in Deutschland, den Marx so entrüstet ausschließt. Der aber antwortet nicht direkt mit einem Gegen-Referat. Es redet Felix Genn, der Bischof von Münster, ein Vermittler zwischen den Flügeln; er spricht viel vom gegenseitigen Zuhören. Am Mittwochabend hoffen Marx und die Mehrheit der Bischöfe, die Kritiker eingebunden zu haben. Kardinal Woelki, der vor der Versammlung die Diözesanbischöfe verärgert hat, weil er in einem Brief an die Weihbischöfe für seine Position warb, ohne ihre Chefs zu informieren, habe konstruktiv mitdiskutiert, heißt es aus den nichtöffentlichen Sitzungen. Sonst habe er auch schon demonstrativ auf dem Tablet getippt, um seine Opposition zu zeigen.
Doch schon an diesem Abend, zwei Stunden später, ist die Hoffnung auf Harmonie wieder dahin. Um kurz vor halb zehn verschickt die Pressestelle des Bistums Regensburg eine "Persönliche Erklärung" von Bischof Voderholzer: Er gehe den Weg nur unter Protest mit und behalte sich vor, "nach den ersten Erfahrungen gegebenenfalls ganz auszusteigen". An der "Wiege des Synodalen Prozesses" stehe "eine Unaufrichtigkeit", nämlich der Schluss, dass die Fälle sexuellen Missbrauchs eine grundlegende Kirchenreform nötig machten. Das sei "pseudowissenschaftlich"; sein Verdacht der "Instrumentalisierung des Missbrauchs" sei nicht ausgeräumt. Am Donnerstagmorgen erklärt dann auch Kardinal Woelki, dass er wie Voderholzer gegen die Satzung des Synodalen Weges gestimmt habe.
Die Frage nach Weiheämtern für Frauen könnte zum Zankapfel werden
So bleibt die Lage des Bischofskonferenzvorsitzenden auch nach den Tagen in Fulda kompliziert: Die konservativen Kritiker des Dialogprojekts werden nicht friedlich bleiben und wieder Unterstützung in Rom suchen, läuft aus ihrer Sicht die Debatte schief. Doch viele Katholikinnen und Katholiken aus den Verbänden wünschen, dass offen über Festlegungen geredet wird, die ihnen als starr und lebensfern erscheinen. Vor allem die Frage nach Weiheämtern für Frauen könnte zum Zankapfel werden: Aus der Sicht von Papst Franziskus und auch von Voderholzer und Woelki ist diese Frage endgültig entschieden, seit vor 25 Jahren Papst Johannes Paul II. festlegte, dass die Diskussion beendet sei. Aus der Sicht des ZdK, aber auch vieler Bischöfe in Deutschland, ist dieses Nein dagegen kein andauerndes Diskussionsverbot.
Irgendjemand wird also am Ende des "Synodalen Weges" enttäuscht sein, und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es die Frauen sind, weil die Bischöfe die offene Konfrontation mit dem Papst und der Mehrheitsmeinung der Weltkirche am Ende doch vermeiden wollen. Im Vorbereitungsteam macht das Wort vom "Erwartungsmanagement" die Runde. Und während Marx in der ehrwürdigen Bibliothek des Priesterseminars jeden Zweifel an seiner Romtreue empört zurückweist, fordern draußen die Jugendlichen der Katholischen Jungen Gemeinde auf Plakaten die Zulassung von Frauen zum Priesteramt. Zum Beginn der Bischofskonferenz, haben die ungeduldigen Frauen von Maria 2.0 den Kardinal noch beklatscht. Es kann sein, dass, wenn in zwei Jahren der Prozess endet, ihr Applaus dünner ausfällt.