Katholische Kirche:Reue im Weihrauchnebel

Rolf Steinhäuser

Weihbischof Rolf Steinhäuser will "vor Gott und vor den Betroffenen" das "schuldhafte Versagen so vieler Verantwortlicher der Kirche bekennen".

(Foto: Weyand/Erzbistum Köln)

Das Erzbistum Köln lädt Missbrauchsopfer zu einem Bußgottesdienst ein. Doch nicht alle Betroffenen sind einverstanden.

Von Annette Zoch

Karl Haucke bekam vor Kurzem Post - auf "hochherrschaftlichem und klimafeindlichem Büttenpapier", erzählt der ehemalige Sprecher des Kölner Betroffenenbeirats der SZ. Es war eine Einladung zu einem Bußgottesdienst im Kölner Dom, der an diesem Donnerstag um 11 Uhr stattfinden soll. Der derzeitige Übergangsverwalter des Erzbistums Köln, Weihbischof Rolf Steinhäuser, will "vor Gott und vor den Betroffenen" das "schuldhafte Versagen so vieler Verantwortlicher der Kirche bekennen", teilte das Erzbistum mit. An diesem Donnerstag ist auch der "Europäische Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexueller Gewalt".

Nur geladene Gäste sind zugelassen zu dem Gottesdienst, insgesamt werden 230 Personen erwartet. Betroffene, die an dem Gottesdienst teilnehmen wollen, hatten auf diesen "geschützten Rahmen" Wert gelegt, teilte das Erzbistum mit. Deshalb seien auch Medienvertreter nicht zugelassen, der Gottesdienst werde aber auf domradio.de übertragen.

Dem Kölner Erzbischof Woelki wurde eine geistliche Auszeit verordnet

Steinhäuser leitet als Apostolischer Administrator derzeit die Geschicke der mitgliederstärksten deutschen Diözese, nachdem Papst Franziskus dem wegen seines Umgangs mit Missbrauchsbetroffenen scharf kritisierten Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki eine geistliche Auszeit verordnet hatte. Im Moment hält Woelki sich für Exerzitien im Priesterseminar im oberbayerischen Eichstätt auf.

Der Betroffenenbeirat war im Streit um ein von Woelki zurückgehaltenes erstes Missbrauchsgutachten zerbrochen. Die verbliebenen Mitglieder hätten sich den Gottesdienst als "liturgische Zeichen" gewünscht und seien an den Vorbereitungen zu dem Gottesdienst beteiligt gewesen, so das Erzbistum.

Karl Haucke allerdings wurde von der brieflichen Einladung überrascht - und sie ließ ihn einigermaßen fassungslos zurück. Haucke ist einer der beiden zurückgetretenen früheren Sprecher des Betroffenenbeirates. "Mit solch fürstlicher Korrespondenz werde ich eingeladen in den Weihrauchnebel dieses Systems, in den Kölner Dom, unter die hundert Kreuze", sagt Haucke. "Ich habe bei nahezu jedem Missbrauch Kreuze vor mir gesehen."

Haucke sagt, er hätte sich stattdessen eine Einladung in einen neutralen Raum gewünscht, mit einem "vernünftigen Diskussionspartner". Stattdessen werde von ihm erwartet, dass er sich den Ritualen der Kirche unterwerfe: "Das werde ich nicht tun. Es gibt in der katholischen Liturgie ja diese Formel: ,Durch meine Schuld, meine Schuld, meine übergroße Schuld'. Auch mein Täter hat mir immer zugeflüstert: ,Du bist schuld, dass ich dich begehre.' Aber in diesem Kontext kann ich sagen: Ich bin ohne Schuld."

Kritik: Beim Thema Missbrauch und Vertuschung sei nichts gelöst

"Selbstverständlich handelt es sich bei dem Gottesdienst nur um ein Angebot und es steht allen Betroffenen frei, die Einladung zum Gottesdienst anzunehmen", teilte das Erzbistum Köln mit. Im Bußgottesdienst stehe "das Bekenntnis vor Gott im Mittelpunkt. Daran schließt sich das Gedenken an die Betroffenen und die Bitte für die Betroffenen an".

In einiger Entfernung gegenüber des Hauptportals will die Reformbewegung Maria 2.0 am Donnerstag eine Mahnwache abhalten, einen "Walk of Shame": "Wir wollen die Betroffenen, die den Gottesdienst gerne besuchen wollen, mit unserer Aktion nicht stören", sagt Maria Mesrian von Maria 2.0. "Dennoch ist es uns wichtig, darauf hinzuweisen, dass beim Thema Missbrauch und Vertuschung nichts gelöst ist", so Mesrian. Die Entscheidung des Papstes, Woelki sowie Hamburgs heutigen Erzbischof und damaligen Kölner Personalverantwortlichen Stefan Heße und den Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp im Amt zu belassen, "zeigt, dass die Vertuschung der Taten der sexualisierten Gewalt straffrei bleibt".

Die Vertrauenskrise im Erzbistum hat sich durch Woelkis Auszeit, so erzählen es viele in Köln, nicht wesentlich verbessert. Unklar ist, was nach Ablauf der Auszeit geschieht - kehrt Woelki zurück, bekommt er eine neue Aufgabe? Solange herrscht große Unsicherheit. Und der Exodus der Kirchenmitglieder geht weiter: Nach einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers könnten bis Jahresende alleine in der Stadt Köln 20 000 Menschen beider Konfessionen ausgetreten sein. In den ersten drei Quartalen verzeichnete das Amtsgericht 15 339 Austritte, hinzu kommen Austritte in dreistelliger Höhe beim Notar. Und bis Jahresende sind alle 4500 verfügbaren Austrittstermine bereits ausgebucht.

Immerhin sprechen die Laienvertretung und die Bistumsleitung im Erzbistum wieder miteinander: "Die Gesprächsebene mit dem Apostolischen Administrator und dem Diözesanrat ist gut und der wertschätzende Respekt zwischen uns ist groß, aber das hilft uns wegen der Begrenztheit seiner Amtszeit nicht wirklich weiter, denn mittel- und langfristige Planungen sind kaum möglich", so Tim-O. Kurzbach, Vorsitzender des Diözesanrates am Mittwoch nach einer Vollversammlung des Laiengremiums in Bergisch-Gladbach. "Der Kardinal, mit dem wir hierzu reden müssen, ist nicht da."

Voraussetzung für Sündenvergebung im katholischen Verständnis seien vier Dinge, sagt Karl Haucke: "Einsicht, Bekenntnis, Reue, Buße. Und dann erst kommt die Vergebung. Nun wird dieser Bußgottesdienst gefeiert - aber es hat von den Tätern hinter den Tätern noch keiner was eingesehen oder bekannt oder gar bereut. Da fehlt was."

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