In der Affäre um den pädophilen Priester Peter H. in der Erzdiözese München und Freising hat das Ordinariat den früheren Generalvikar Gerhard Gruber möglicherweise zur alleinigen Schuldübernahme gedrängt. Vertraute Grubers schildern einem Vorabbericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zufolge, er stehe unter großem Druck und solle wohl als Sündenbock für den Papst herhalten. Es sei darum gegangen, den Papst "aus der Schusslinie zu nehmen". Der Sprecher der Erzbistums wies den Bericht am Sonntag entschieden zurück.
An der Spitze des Ordinariats stand Anfang der achtziger Jahre, als H. trotz massiven sexuellen Missbrauchs von Kindern erneut als Seelsorger eingesetzt wurde, Erzbischof Joseph Ratzinger, der heutige Papst Benedikt XVI. Ratzinger leitete dem Bericht zufolge auch die Sitzung, in der über H.s Aufnahme in München entschieden wurde. Als die Affäre H. Mitte März aufflog, sei er am Telefon eindringlich "gebeten" worden, die volle Verantwortung zu übernehmen, soll der Ex-Generalvikar Freunden geklagt haben.
In einem Brief an seine Vertrauten schreibt Gruber, er habe eine fertig formulierte Stellungnahme zugefaxt bekommen und Änderungswünsche anmerken können. Über die Darstellung des Bistums und darüber, dass man ihm "eigenmächtiges Handeln" im Fall H. vorwarf, empfinde er jedoch großen Unmut. Auch der Ausdruck "Eigenmächtigkeit" sei nicht mit ihm abgesprochen gewesen.
Bernhard Kellner, Sprecher des Erzbistums, hat derweil diese Darstellung entschieden zurückgewiesen. "Das ist frei erfunden", sagte er am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. Dem Erzbistum liege eine Erklärung Grubers vor, in der er darlege, dass die Geschichte im Spiegel falsch sei. Er sei nicht vom Erzbistum dazu gedrängt worden, Ratzinger in Schutz zu nehmen. Vielmehr habe Gruber von sich aus die Verantwortung dafür übernommen, dass Pfarrer H. wiederholt in anderen Gemeinden eingesetzt wurde. Kellner sagte weiter, die nun zitierten Behauptungen seien bereits vor zwei Wochen in einem Brief aufgetaucht.
Nach SZ-Informationen stammt dieser Brief von ehemaligen Absolventen des Germanicums, einem Ausbildungsseminar für Priester in Rom, das einst auch Gruber besucht hatte. Gruber sei zu keinem Zeitpunkt zu irgendetwas gezwungen worden, betonte Kellner. Jedoch habe Gruber für seine Stellungnahme Formulierungshilfen übernommen - dies aber nach gemeinsamer Absprache.