Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx hat die Moral der katholische Kirche bezüglich Sexualität verteidigt: "Die Sexualmoral der Kirche halte ich nicht für ein Problem", sagte er vor der Eröffnung des Zweiten Ökumenischen Kirchentages in einem Interview der taz.
Für problematisch halte er vielleicht, "wie sie verkündet oder wie sie dargestellt wurde". Sexualität sei eine "positive Lebenskraft" - diese brauche aber eine Ordnung, wenn sie nicht aus dem Ruder laufen solle.
"Natürlich ist die Sexualität wie alle anderen Handlungen des Menschen, wo es um intime Nähe geht, auch gefährdet durch Machtmissbrauch und durch Ausnutzung des Anderen, durch Egoismus", so Marx.
Vor dem Hintergrund zahlreicher Missbrauchsfälle von katholischen Geistlichen in Deutschland und Europa ist die Debatte um die Sexualmoral der katholischen Kirche und das Zölibat wieder aufgeflammt.
Dies schädigte die moralische Autorität der katholischen Kirche - nach lange vertuschten Missbrauchsfällen steckt sie selbst "in der schwersten Krise seit Menschengedenken", wie es der katholische Kirchentagspräsident Alois Glück formulierte. Unter den Katholiken herrsche Verunsicherung, Verbitterung, aber auch die Forderung nach Erneuerung der Kirche, so Glück.
Bundespräsident Horst Köhler forderte die katholische Kirche vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals auf, ihre Sexualmoral grundsätzlich zu reformieren. Gerade die katholische Kirche müsse um ihre Glaubwürdigkeit und ihre Authentizität kämpfen, sagte Köhler dem Rheinischen Merkur.
"Ich wünschte mir, sie würde jetzt zu einer Reformkirche, zum Beispiel bei Fragen der Sexualmoral und der Rolle von Laien in der Kirche und der von Frauen in der Kirche." Gleichzeitig warnte der Bundespräsident aber vor einer Pauschalverurteilung der katholischen Kirche. "Wenn ich dann erlebe, wie die jetzige Diskussion die katholische Kirche generell in Misskredit bringt, der in keinem Verhältnis zu ihrer Bedeutung und Leistung steht, dann bedrückt mich das - auch als Protestant."
Köhler: Nicht alte Vorurteile über Kirchen auskippen
Missbrauch sei nicht nur in der katholischen Kirche vorgekommen, sagte Köhler weiter. "Missbrauch hat es in Reformschulen gegeben, in Internaten der evangelischen Kirche und mit Abstand am häufigsten - in 80 bis 90 Prozent der Fälle - in Familien und deren Umfeld."
Köhler sagte, sexueller Missbrauch sei ein tiefgehendes gesellschaftliches Problem. "Dem müssen wir uns widmen, anstatt die derzeitige Situation auszunutzen, um alte Vorurteile über der Kirche oder über reformpädagogischen Konzepten auszukippen. Das ist nicht angemessen."
Der Bundespräsident nimmt auch am Münchner Kirchentag teil. Mit 110.000 Dauerkarten haben die Veranstalter für den 2. Ökumenischen Kirchentag bisher nur halb so viele Karten verkauft wie beim 1. Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin.
Neu auf der Tagesordnung sind zwei große Foren über sexuellen Missbrauch mit den Beauftragten der Bundesregierung und der Bischofskonferenz, Christine Bergmann und Stephan Ackermann, und dem Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, Klaus Mertes.
Er war es, der die Schweigemauer im Januar durchbrochen hatte. Zudem gibt es Veranstaltungen über Vorbeugung und den Umgang mit Missbrauch, wofür Psychologen bereitstehen. "Damit Ihr Hoffnung habt", lautet das diesjährige Motto der fünftägigen Veranstaltung.
Neben zahlreichen Gästen aus Kirche und Politik werden über hunderttausend Katholiken und Protestanten erwartet. Der ehemalige Augsburger Bischof Walter Mixa wurde aus dem Programm gestrichen.