Katholische Kirche:"Macht Licht an!"

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Nach dem Anti-Missbrauchs-Gipfel im Vatikan wächst der Aufklärungsdruck auf die Bischöfe. Kardinal Marx fordert bei der Frühjahrsversammlung einen Weg der Erneuerung.

Von Matthias Drobinski, München

Der vergangene Sonntag war der erste in der Fastenzeit vor Ostern, und viele katholische Bischöfe in Deutschland nutzten ihre traditionellen Hirtenbriefe zur Reuebekundung: Der Skandal um die sexuelle Gewalt von Priestern gegen Schutzbefohlene müsse zur Umkehr und zur Erneuerung der Kirche führen. Er könne verstehen, dass Menschen nun der Kirche den Rücken kehrten, schrieb Bischof Felix Genn aus Münster; sein Limburger Amtsbruder Georg Bätzing erklärte, es müsse "der Missbrauch geistlicher Macht als eigentliche Ursache" benannt werden. Münchens Kardinal Reinhard Marx, der Bischofskonferenzvorsitzende, fügte hinzu: "Es geht hier nicht einfach um einige kirchenpolitische Maßnahmen, sondern um einen Weg der Erneuerung."

Was das konkret bedeuten könnte, darüber beraten die deutschen Bischöfe seit Montagabend auf ihrer Frühjahrsversammlung in Lingen. Vor gut zwei Wochen erst endete der große Anti-Missbrauchsgipfel aller Bischofskonferenzvorsitzenden im Vatikan; Papst Franziskus bezeichnete dort mit starken Worten die sexuelle Gewalt als Werk des Teufels, die konkreten Ergebnisse des Treffens aber blieben hinter den Erwartungen vieler Katholiken zurück. Umso größer ist nun der Druck auf die deutschen Bischöfe. Am Montagabend hat der Bundesvorstand der katholischen Frauengemeinschaft (kfd) dem gastgebenden Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode 30 000 Unterschriften überreicht, mit denen die Frauen fordern, die Missbrauchsfälle kirchenunabhängig aufzuklären, "verkrustete Machtstrukturen" abzuschaffen und die kirchliche Sexualmoral zu ändern; demonstrativ richteten die Frauen dann Taschenlampen auf die Kirchentür: "Macht Licht an!"

Doch die in Lingen versammelten Bischöfe sind sich uneins, wie die katholische Kirche aus der Krise finden könnte. Im Januar hatten unter anderem die Bischöfe Peter Kohlgraf (Mainz), Stefan Oster (Passau), Franz-Josef Overbeck (Essen) und Karl-Heinz Wiesemann (Speyer) ein Strategiepapier erarbeitet, mit einer dramatischen Analyse: Die Kirche befinde sich "in einer existenziellen Krise", heißt es da, "mit einem Grundproblem: Leben und Reden fallen in der Kirche weit auseinander". Es brauche "einen echten kirchlichen Wandel, der mit einem Mentalitätswandel (Demut) der Verantwortlichen beginnen" müsse. Die Bischöfe forderten in ihrem Papier einen "synodalen Prozess", eine solche allgemeine Kirchenversammlung werde "der Dramatik der Situation gerecht". Aber es gab heftigen Widerspruch, sodass das Vorhaben mehr oder weniger tot ist.

So wird es in Lingen bei den Beratungen weniger darum gehen, inwieweit die katholische Kirche eine tief greifende Reform braucht, sondern vor allem um Konkretes: Wie sieht es mit der Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften aus? Manche Bistümer haben alle Akten mit Verdachtsmomenten den Ermittlern übergeben, andere aber nicht. Wie unabhängig sollen die Anlaufstellen für Betroffene sein? In einem Bistum nimmt sich eine unabhängige Anwaltskanzlei der Opfer an, in einem anderen treffen sie auf einen pensionierten Religionslehrer. Genügen die Entschädigungsregelungen? Kardinal Marx kündigte in Lingen an, die katholische Kirche in Deutschland müsse in diesen Fragen "zügig vorangehen und nicht darauf warten, was in anderen Teilen der Weltkirche passiert". Papst Franziskus hat die Bischofskonferenzen aufgefordert, Leitlinien im Umgang mit Missbrauchsfällen zu erarbeiten - im Zweifel aber entscheidet jeder Bischof als letzte Instanz, ob und wie umgesetzt wird, was beschlossen wurde.

Und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Vertreter der Betroffenen sich am Donnerstag, wenn die Konferenz endet, so äußern wie vor zwei Wochen in Rom: enttäuscht.

© SZ vom 12.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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