Katholische Kirche in China:Zwischen Gott und Vaterland

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Der Akt galt als eine löbliche Annäherung zwischen der katholischen Kirche und Chinas Behörden, für die die Kommunistische Partei die Nummer eins im Staate ist. Doch dann führt eine Weihezeremonie in Shanghai zum Eklat.

Christoph Giesen

Die Sankt-Ignatius-Kathedrale im Shanghaier Stadtteil Xuhui ist ein imposanter Backsteinbau. 1905 legten französische Jesuiten den Grundstein für die Kirche. Fünf Jahre dauerten die Bauarbeiten. Lange Zeit war die Kathedrale das höchste Gebäude im Umkreis, ein Wahrzeichen Gottes auch noch im kommunistischen China. 1989 hielt Bischof Aloysius Jin Luxian in der einst größten Kathedrale des Fernen Ostens die erste chinesischsprachige Messe in der Volksrepublik. Heute ist die Kathedrale von unzähligen Hochhäusern eingekesselt, sie wirkt ein wenig verloren zwischen all den Wolkenkratzern.

Katholiken in China dürfen nur unter strenger staatlicher Aufsicht ihren Glauben praktizieren: Marienstatue in Shanghai. (Foto: REUTERS)

Am vorvergangenen Samstag stand die Sankt-Ignatius jedoch wieder einmal im Fokus. Der 44-jährige Thaddeus Ma Daqin sollte zum Weihbischof der Diözese Shanghai geweiht werden. Er wurde als möglicher Nachfolger für den 96-jährigen Bischof Aloysius Jin Luxian gehandelt, einer der einflussreichsten Bischöfe der offiziellen katholischen Kirche Chinas. Eigentlich galt Mas Weihe als eine löbliche Annäherung zwischen der katholischen Kirche und Chinas Behörden: Sowohl die staatliche Religionsbehörde als auch Papst Benedikt hatten Mas Ernennung zugestimmt.

Gegen Ende der Weihezeremonie kam es jedoch zum Eklat: "Vom Moment meiner Weihe an", rief Ma den mehr als 1000 Gläubigen in der Kathedrale zu, "ist es für mich nicht mehr angemessen, ein Mitglied der Patriotischen Katholischen Vereinigung zu sein". Einige Gemeindemitglieder hielten die Ansprache auf Video fest und luden sie später im Internet hoch. Bereits wenige Stunden nach seiner Kritik an der offiziellen Kirche wurde Ma in ein 30 Kilometer von Shanghai entferntes Kloster gebracht. Öffentlich zu Wort gemeldet hat er sich seitdem nicht. Nur ein paar kryptische SMS, in denen er von "Erschöpfung" und "Meditation" schreibt, erreichten seine Glaubensbrüder. Ob er die Kurznachrichten wirklich selbst getippt hat, ist unklar.

Statt den Konflikt zwischen Rom und Peking zu besänftigen, hat ihn Mas Kirchenaustritt wieder entflammen lassen. Der Vatikan nannte es bedauerlich, dass nach der Ordination eine "anomale Situation" entstanden sei. Diese sei "nicht positiv", erklärte Vatikansprecher Federico Lombardi. Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und der chinesischen Regierung sind seit Jahrzehnten schwierig. Wie überall auf der Welt besteht der Vatikan darauf, ohne jeglichen staatlichen Einfluss Bischöfe ernennen zu dürfen. Der chinesische Staat lehnt das als eine Einmischung in innere Angelegenheiten ab.

Kontrolle durch die Katholische Patriotische Vereinigung

Nach der Machtübernahme der Kommunisten 1949 wurde die katholische Kirche in China dazu gezwungen, sich von Rom und dem Papst loszusagen. In Folge dessen spaltete sich eine Untergrundkirche ab, deren Mitglieder weiterhin dem Papst loyal sind. Chinas Behörden erklärten die Untergrundkirchen für illegal und verhafteten zahlreiche Priester und Bischöfe. Chinas offizielle katholische Kirche ernennt ihre Bischöfe selbst. Meistens geschieht das ohne die Zustimmung des Papstes. Die Entscheidungen der chinesischen Kirche überwacht Chinas sogenannte Katholische Patriotische Vereinigung. Sie wurde 1957 gegründet. Papst Pius XII. lehnte die Gründung ein Jahr später ab. Papst Benedikt XVI. bekräftigte 2007 in einem Brief an die chinesischen Bischöfe die Position des Vatikans, forderte aber die Staatskirche und die Untergrundkirche auf, sich einander anzunähern.

Die Patriotische Vereinigung unterscheidet sich einigen Punkten fundamental von den Leitlinien der katholischen Kirche. Das Zweite Vatikanische Konzil etwa erkennt die Patriotische Vereinigung nicht an; zudem ist es Mitgliedern der offiziellen Kirche nicht gestattet, Kritik an der Kommunistischen Partei zu üben. Die Vereinigung unterstützt im Gegensatz zum Vatikan die Empfängnisverhütung und übt keinerlei Kritik an erzwungenen Abtreibungen, mit denen Chinas Behörden die staatlich verordnete Ein-Kind-Politik durchzusetzen versuchen. In vielen offiziellen Kirchen Chinas hängen Banner, auf denen man die Philosophie der Staatskirche lesen kann: "Liebe Gott und liebe dein Land." Im Zweifel das Vaterland noch ein wenig mehr. Laut staatlichen Angaben hat die katholische Kirche in China etwa 5,7 Millionen Mitglieder, zählt man die geschätzt mehr als sechs Millionen Untergrundkatholiken hinzu, könnten es sogar mehr als zwölf Millionen Gläubige sein.

Neben dem Katholizismus erkennt der chinesische Staat offiziell als Religion auch noch den Buddhismus, den Protestantismus, den Islam und den Daoismus an. Über allen Religionen wacht als Kontrollinstanz jedoch das staatliche Amt für Religionsangelegenheiten. Kein Priester und schon gar kein Imam in der muslimischen Provinz Xinjiang darf ohne eine Genehmigung des Amtes einen Gottesdienst leiten. Chinas Kommunistische Partei, spotten Kritiker, sei nach der katholischen Kirche die zweitgrößte Massenorganisation der Welt. In China selbst ist die Partei die Nummer eins. Und dabei soll es wohl auch bleiben.

© SZ vom 16.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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