Süddeutsche Zeitung

Glaube und Missbrauch:"Das skandalöse Bild von Kirche"

Bischof Georg Bätzing warnt davor, die katholische Kirche nur an der umstrittenen Missbrauchsaufarbeitung im Bistum Köln zu messen. Andere Bistümer leisteten erfolgreiche Aufklärungsarbeit.

Von Annette Zoch

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hat davor gewarnt, in der Debatte um Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche nur auf das Erzbistum Köln zu schauen. Dort steht Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki massiv in der Kritik, weil er ein Missbrauchsgutachten unter Verschluss hält und ein zweites Gutachten in Auftrag gegeben hat. Infolgedessen kann sich das Amtsgericht Köln derzeit vor Anfragen nach Terminen für Kirchenaustritte kaum retten, zeitweise waren sogar die Server der Stadt unter dem Ansturm zusammengebrochen.

"All diese Wirkungen in der Öffentlichkeit nehmen wir sehr ernst", sagte der Limburger Bischof zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am Donnerstag. "Jeder einzelne Austritt tut uns sehr weh. Es ist die Reaktion auf das skandalöse Bild von Kirche, was wir derzeit abgeben." Es greife aber zu kurz, den Fokus nur auf Köln zu richten: "Im Schatten von Köln liegen erfolgreiche Aufklärungsvorgänge", so Bätzing. "In der öffentlichen Wahrnehmung scheint es mitunter, als ob sich die Kirche überhaupt nicht bewege." Die Bistümer seien aber mit allen Kräften dabei, ihren Selbstverpflichtungen nachzukommen.

Eine "strukturierte, unabhängige, vorbehaltlose und für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Aufarbeitung" werde eine Schlüsselaufgabe der kommenden Jahre, sagte Bätzing. Erst vor wenigen Tagen habe er an einer Sitzung des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz teilnehmen können, der sich im Sommer gegründet hatte. Dies sei ein "hochkompetentes Gremium, das sehr anspruchsvoll ist und klare Anforderungen an uns Bischöfe hat". Welche dies seien, das wollte Bätzing nicht sagen: "Der Beirat ist unabhängig und kommuniziert unabhängig."

In der Bischofskonferenz werde außerdem daran gearbeitet, die kirchliche Strafprozessordnung zu ändern, eigene kirchliche Strafgerichte einzurichten und die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Kirche zu reformieren. Diese Überlegungen seien schon weit gediehen und müssten nun mit Rom abgestimmt werden.

Auch spiritueller Missbrauch ist ein Thema

Die Bischöfe sprachen auch über das Thema spiritueller Missbrauch. Unter diesem Begriff wird manipulatives, kontrollierendes und religiös missbräuchliches Verhalten durch Geistliche oder religiöse Führungsfiguren zusammengefasst. Bätzing lobte einen an ihn gerichteten Offenen Brief von Betroffenen als "echten konstruktiven Beitrag" zu dem Thema. Dass sich der Bischofskonferenzvorsitzende zu einem der vielen offenen Briefe äußert, die er üblicherweise erhält, ist ungewöhnlich.

Auf ihrer dreitägigen, wegen Corona rein digital stattfindenden Versammlung sprachen die Bischöfe auch über Kirchenaustritte, über ihre Haltung zur Suizidbeihilfe und über die Mahlgemeinschaft mit evangelischen Kirchen. Die katholischen Bischöfe bekräftigten erneut ihre ablehnende Haltung gegenüber jeder Form der Sterbehilfe. Die Selbstbestimmung des Menschen sei nur auf der Grundlage seines Lebens möglich. "Beendet er das eigene Leben, zerstört er auch die Grundlage seiner Autonomie", so die Bischöfe. Zugleich warnen sie vor gesellschaftlichem Druck auf Alte und Schwerstkranke, dem assistierten Suizid zuzustimmen, um anderen nicht zur Last zu fallen.

Am Fernziel einer ökumenischen Mahlgemeinschaft hält Bätzing fest. Auf dem Weg dahin erhoffe er sich vom Ökumenischen Kirchentag im Mai weitere Impulse. Gegen ein von katholischen und protestantischen Theologen ausgearbeitetes Papier "Gemeinsam am Tisch des Herrn" gibt es aber Einwände aus dem Vatikan. Bätzing selbst hat eine klare Haltung: "Ich verwehre einem Protestanten nicht die heilige Kommunion, wenn er darum bittet."

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