Erzbistum Köln:Anwälte wollen erstes Missbrauchsgutachten offenlegen

Cologne Cardinal reacts to abuse scandal

Hielt das erste Gutachten zurück: Kardinal Rainer Maria Woelki.

(Foto: Reuters)

Die Münchner Kanzlei WSW kritisiert das veröffentlichte Missbrauchsgutachten aus Köln als unzureichend, es folge der Prämisse "Recht ohne Moral". Die Anwälte verlangen, ihre eigene Untersuchung offenlegen zu dürfen.

Von Matthias Drobinski, Frankfurt

Am vergangenen Donnerstag wurde das Kölner Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen im katholischen Erzbistum Köln veröffentlicht - nun übt die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) scharfe Kritik daran. Deren Untersuchung zum gleichen Thema wird bislang vom Erzbistum Köln zurückgehalten, weil es aus dessen Sicht methodisch mangelhaft und äußerungsrechtlich problematisch ist. Vom morgigen Donnerstag an können Journalistinnen und Journalisten das WSW-Gutachten in Köln kurzzeitig einsehen, allerdings ohne daraus zitieren zu dürfen.

Das Gutachten der Kölner Rechtsanwaltskanzlei Gercke Wollschläger sei "unter der Prämisse ,Recht ohne Moral' erstellt" worden, heißt es in einer Mitteilung der Kanzlei WSW. Die "Einlassungen der betroffenen Verantwortungsträger" seien "nicht mit der gebotenen kritischen gutachterlichen Sichtweise bewertet" worden. Es gebe keinen Grund, das erste Gutachten nicht komplett zu veröffentlichen.

Der Streit um das WSW-Gutachten hatte das Erzbistum Köln in eine tiefe Krise gestürzt. Eine ursprünglich für den März 2020 angesetzte Veröffentlichung wurde kurzfristig abgesagt. Unter anderem sah der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, der mittlerweile Papst Franziskus um die Erlaubnis zum Rücktritt gebeten hat, sein Handeln falsch dargestellt. Ende Oktober kam es zum Eklat: Vom Erzbistum in Auftrag gegebene Gutachten kritisierten gravierende methodische und äußerungsrechtliche Mängel der WSW-Untersuchung. Kardinal Rainer Maria Woelki beauftragte den Kölner Strafrechtler Björn Gercke mit der Erstellung eines Zweitgutachtens.

Dieses konstatiert zahlreiche Pflichtverstöße bei dem verstorbenen Kardinal Joachim Meisner und dem emeritierten Generalvikar Norbert Feldhoff, aber auch bei Erzbischof Heße, der in Köln Generalvikar und Personalchef war, sowie bei zwei weiteren heutigen Weihbischöfen und dem obersten Kirchenrechtler des Erzbistums. Kardinal Woelki hat die von den Vorwürfen getroffenen Männer vorläufig suspendiert.

Aus der Sicht der Anwaltskanzlei WSW beschränkt sich das Gercke-Gutachten jedoch auf eine reine Rechtmäßigkeitsprüfung des Leitungshandelns. Dies verkenne, dass auch jenseits der jeweils geltenden straf- und kirchenrechtlichen Normen der "Auftrag zum umfassenden Schutz von Schwachen und Schutzlosen und namentlich von Minderjährigen seit jeher zum Kernbestand des kirchlichen Selbstverständnisses gehört".

Der Kölner Medienanwalt Carsten Brennecke von der Kanzlei Höcker, die das WSW-Gutachten äußerungsrechtlich geprüft hatte, erneuerte dagegen seine Kritik an der Münchner Untersuchung. Bis heute habe die Kanzlei WSW "nicht erkannt, wo die äußerungsrechtlichen Probleme ihres Gutachtens liegen", sagte er. Man habe bei der Prüfung insgesamt 56 Verstöße gegen das Äußerungsrecht festgestellt. Zudem habe das WSW-Gutachten lediglich 43 konkrete Pflichtverstöße von Kirchenverantwortlichen festgestellt - das Gercke-Gutachten dagegen 75.

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Cardinal Woelki Receives Investigative Report Over Sexual Abuse In Cologne Archdiocese

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