Süddeutsche Zeitung

Katholische Kirche:Aufstand der Frauen

Aus Münster in die Welt: Die Streikaktion "Maria 2.0" zeigt den wachsenden Unmut vieler katholischer Frauen über den Machtmissbrauch in ihrer Kirche.

Von Matthias Drobinski

Wie viele mitgemacht haben an diesem Wochenende? Lisa Kötter hat den Überblick verloren. Sie kommt gerade vom Domplatz in Münster, wo die Frauen demonstrativ ihre weißen Laken ausgebreitet und gesungen und gebetet haben, statt durch die Domtür hindurch in den Gottesdienst zu gehen. Eine ihrer Mitstreiterinnen hat gezählt und bei 900 aufgehört, das waren aber noch längst nicht alle. Und nicht alle Kirchenstreikenden aus Münster sind vor den Dom gezogen; viele Gruppen haben vor der eigenen Kirchentür demonstriert.

"Wir waren viel zu lange geduldig - jetzt ermächtigen wir uns selbst."

Herauszufinden, wer deutschlandweit mitgemacht hat, übersteigt ohnehin die bescheidenen Möglichkeiten der fünf Frauen, die im Januar in der Gemeinde Heilig Kreuz die Aktion "Maria 2.0" gründeten, aus Zorn über die sexuelle Gewalt durch Kleriker und den Ausschluss der Frauen von den Weiheämtern der Kirche. Die Einträge auf ihrer Homepage geben bestenfalls eine leise Ahnung davon, was an diesem Wochenende los war im katholischen Deutschland: in Köln und im Sauerland, in Waiblingen und Konstanz, Aachen, Donaueschingen, München - überall klinken sich Frauen für eine Woche aus dem katholischen Kirchenleben aus. "Auf dem Domplatz berichtete eine Frau, dass sich nun auch in Lateinamerika die erste Gruppe gegründet hat", erzählt Lisa Kötter.

Dass eine eher handgestrickte Aktion von fünf einfachen Gemeindefrauen im Wortsinn viral wird - ansteckend also wie ein Virenstamm bei optimaler Temperatur und Luftfeuchtigkeit - zeigt, wie hoch gerade die Streikbereitschaft katholischer Frauen ist. Im März schon überreichten Vertreterinnen der katholischen Frauengemeinschaft kfd den in Lingen versammelten Bischöfen fast 30 000 Unterschriften, mit denen sie ein Ende des Klerikalismus in ihrer Kirche forderten.

Und längst hat sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) solche Forderungen zu eigen gemacht, die Vertretung der Laienverbände und der Diözesanräte, die sich am Freitag und Samstag in Mainz zur Vollversammlung traf. "Ich habe noch nie eine Situation in unserer Kirche erlebt, in der die Empörung so weit in den Kern unserer Gemeinden gereicht hat", sagte dort Thomas Sternberg, der Präsident des ZdK.

Die Veröffentlichung der Missbrauchs-Studie im vergangenen September habe den tief sitzenden Ärger über ausbleibende Reformen in der Kirche zum Überlaufen gebracht. Die Münsteraner Theologin Dorothea Sattler begründete unter Applaus, warum aus ihrer Sicht Frauen sehr wohl zur Diakoninnen- und Priesterweihe zugelassen werden könnten. Die Position ist mittlerweile Beschlusslage im ZdK.

Das Problem ist allerdings: Ausgerechnet Franziskus, der als Reformer gefeierte Papst, sieht die Sache anders. Er will offenbar am Nein der katholischen Kirche zur Frauenweihe festhalten, das Papst Johannes Paul II. 1994 kategorisch verfügte. Franziskus hat vor drei Jahren eine Kommission zu einem möglichen Diakonat für Frauen eingesetzt, die aber sei zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen, sagte der Papst vergangene Woche. Zwar habe es bei den ersten Christen Diakoninnen gegeben, doch sei unklar, ob ihr Amt als Sakrament verstanden worden sei. Es brauche also weitere Beratungen, schnelle Entscheidungen werde es nicht geben.

Das wiederum bringt die deutschen Bischöfe in Schwierigkeiten: Unter dem Eindruck des tiefen Zorns vieler Katholiken nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie haben sie die Verbände und alle Katholiken guten Willens zu einem "synodalen Weg" geladen, bei dem über alle in der katholischen Kirche umstrittenen Themen geredet werden soll, vom Umgang mit Macht über die Sexualmoral bis hin zur Weihe für Frauen. Doch wenn der Papst beim kategorischen Nein bleibt, muss die Bischofskonferenz entweder Ärger mit Rom riskieren oder die Gläubigen in Deutschland enttäuschen.

Das ZdK beschloss am Samstag, der Einladung der Bischöfe zu folgen, es wünscht sich aber einen Dialog auf Augenhöhe und echten Reformwillen, wie ZdK-Präsident Sternberg sagte. Der ist auch bei vielen Bischöfen vorhanden. Hamburgs Erzbischof Stefan Heße versprach den ZdK-Delegierten Offenheit: "Ein solcher synodaler Weg macht nur Sinn, wenn keine Themen ausgeschlossen werden."

Die streikenden Frauen aber passen vielen Hirten dann doch nicht ins Konzept. Matthias Kopp, der Sprecher der Bischofskonferenz, bat sie am Wochenende um Geduld: Man wolle ja reden, aber ein Streik sei nun mal die falsche Form. Das ist wesentlich freundlicher als das, was den Frauen gerade aus konservativen Kirchengruppen entgegenschallt - doch Lisa Kötter will sich nicht mehr um Geduld bitten lassen: "Wir waren viel zu lange geduldig. Jetzt ermächtigen wir uns selber - um der Kirche zu helfen."

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SZ vom 13.05.2019/woja
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