Katholische Kirche:Bischöfe reformieren kirchliches Arbeitsrecht

Katholische Kirche: Für einen "Geist des Miteinanders": Homosexualität soll in der Kirche künftig kein Kündigungsgrund mehr sein.

Für einen "Geist des Miteinanders": Homosexualität soll in der Kirche künftig kein Kündigungsgrund mehr sein.

(Foto: Henning Kaiser/dpa)

Homosexualität, Scheidung, Wiederheirat - solche privaten Aspekte gehen die Arbeitgeber bei Kirche und Caritas nichts mehr an. Künftig müssen sie ihre 800 000 Mitarbeitenden in aller Vielfalt akzeptieren.

Von Annette Zoch

Die deutschen katholischen Bischöfe haben sich auf ein neues kirchliches Arbeitsrecht verständigt. Künftig soll die private Lebensgestaltung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der katholischen Kirche und von katholischen Verbänden keine Rolle mehr spielen. Das teilte die Deutsche Bischofskonferenz am Dienstag mit, die Entscheidung fiel bei der Vollversammlung des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD).

"Der Kernbereich privater Lebensgestaltung unterliegt keinen rechtlichen Bewertungen und entzieht sich dem Zugriff des Dienstgebers", steht nun in der Grundordnung. Dadurch werden das Beziehungsleben und die Intimsphäre des einzelnen Arbeitnehmers zur "rechtlich unantastbaren Zone". Ob Pastoralreferenten oder Erzieherinnen offen in einer schwulen oder lesbischen Partnerschaft leben, ob Ärzte kirchlicher Krankenhäuser nach ihrer Scheidung wieder heiraten - all das hat den Arbeitgeber Kirche künftig nicht mehr zu interessieren. Die neue Grundordnung ist die Rechtsgrundlage für die Beschäftigungsverhältnisse von rund 800 000 Menschen, die in Deutschland bei der katholischen Kirche oder der Caritas arbeiten.

Der Blick geht künftig weg von den Einzelpersonen, hin zur Institution: Es liege nun am Dienstgeber und dessen Führungskräften, den kirchlichen Charakter einer Einrichtung zu schützen und zu stärken. "Die katholische Identität einer Einrichtung soll durch Leitbilder, eine christliche Organisations- und Führungskultur und durch Vermittlung christlicher Werte und Haltungen gestaltet werden", erklärte die Bischofskonferenz.

Aktivisten hatten mit 117 000 Unterschriften Druck gemacht

Ausdrücklich wird Vielfalt in kirchlichen Einrichtungen als Bereicherung anerkannt. "Alle Mitarbeitenden können unabhängig von ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrem Alter, ihrer Behinderung, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Identität und ihrer Lebensform Repräsentantinnen und Repräsentanten der unbedingten Liebe Gottes und damit einer den Menschen dienenden Kirche sein", heißt es. Sie müssen allerdings eine positive Grundhaltung gegenüber der Botschaft des Evangeliums mitbringen und den christlichen Charakter der Einrichtung achten. Die Religionszugehörigkeit soll nur dann ein Einstellungskriterium sein, wenn sie für die Position erforderlich ist, also in Seelsorgeberufen oder bei Aufgaben, die das katholische Profil einer Einrichtung inhaltlich prägen und nach außen repräsentieren.

Der Beschluss hat im Moment noch empfehlenden Charakter, sobald er aber in den Bistümern und Erzbistümern in diözesanes Recht umgesetzt ist, gilt er dort für alle Angestellten. Im Januar hatte die Initiative #Outinchurch auf die Situation homosexueller und queerer Beschäftigter in der Kirche aufmerksam gemacht. Sie wären viel zu oft aus Angst vor Kündigung gezwungen, ihr Privatleben zu verheimlichen. Bei der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe im oberfränkischen Vierzehnheiligen im März dieses Jahres hatten die Aktivisten dann 117 000 Unterschriften übergeben. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hatte daraufhin eine Änderung des Arbeitsrechts angekündigt.

Mitglieder der Aktion sprachen von einem "Teilerfolg" - das neue Arbeitsrecht sei "eine Markierung auf einem längeren Weg zu einer diskriminierungsfreien Kirche", sagt der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose der SZ. So sei nur die Rede von sexueller, nicht aber von geschlechtlicher Identität: "Das heißt, Menschen, die nicht ins binäre Geschlechtersystem passen, werden davon nicht erfasst." Hose kritisierte zudem den Kündigungsgrund "kirchenfeindliches Verhalten": "Was ist kirchenfeindliches Verhalten genau? Verhalte ich mich, der ich mich für #Outinchurch engagiere, bereits kirchenfeindlich? Hier bleibt immer noch viel Spielraum für bischöfliche Willkür."

"Für die römisch-katholische Kirche ist das eine Revolution"

Die seit 1994 geltende Grundordnung war im Jahr 2015 schon einmal reformiert worden, auch unter dem Druck weltlicher Rechtsprechung vor Arbeitsgerichten. Scheidung und Wiederheirat etwa führten von da an nicht mehr unbedingt zu beruflichen Nachteilen. Allerdings bestand keine Rechtssicherheit, was in dem einem Bistum niemanden störte, konnte in einem anderen Bistum zur Kündigung führen.

Von einem "Paradigmenwechsel" spricht die Vorsitzende des Caritasverbands, Eva Welskop-Deffaa. Man verabschiede sich nun von einem Arbeitsrecht der Gebote und Verbote. "Wir sind froh, dass an seine Stelle ein Geist des Miteinanders treten soll, der auch die Dienstgeber in besonderer Weise in die Pflicht nimmt", sagte Welskop-Deffaa.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb bei Twitter: "Als Katholik begrüße ich jeden Schritt, mit dem sich die Kirche der Wirklichkeit liebender Menschen öffnet." Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer sagte, dass ein kirchenamtliches Papier Vielfalt als Bereicherung bezeichne, "mag in aufgeklärten Ohren selbstverständlich klingen - für die römisch-katholische Kirche ist das eine Revolution".

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