Katholische Bischöfe:Marx fordert Einwanderungsgesetz

Herbstvollversammlung Deutsche Bischofskonferenz

Treffen am Grab des Missionars Bonifaz: Deutschlands katholische Bischöfe beim Gottesdienst ihrer Herbstversammlung im Dom von Fulda.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Deutschland ist längst ein Einwanderungsland, sagt der Münchner Kardinal - doch zu lange sei das verdrängt worden.

Von Matthias Drobinski

Die katholische Kirche in Deutschland hat nach eigenen Angaben in den ersten sieben Monaten des Jahres fast 80 Millionen Euro zusätzlich für die Flüchtlingshilfe ausgegeben. Mehr als 52 Millionen seien für die Unterstützung von Geflohenen und Helfern in Deutschland ausgegeben worden, sagte der Münchner Kardinal und Vorsitzende der Bischofskonferenz Reinhard Marx zum Abschluss der Herbstversammlung der Bischöfe in Fulda. 27,3 Millione Euro seien in Projekte in den Krisenregionen geflossen. Dies sei nur die Summe der Hilfe aus den 27 Bistümern und Erzbistümern, betonte Marx, das Engagement der Ordensgemeinschaften und katholischen Verbände sei dabei nicht mitgerechnet. Im vergangenen Jahr hatte die Sonderhilfe für Flüchtlinge insgesamt 112 Millionen Euro betragen; 70,8 Millionen wurden im Inland eingesetzt.

Nach wie vor sei das Engagement der Katholiken in Deutschland für die Flüchtlinge hoch, sagte Marx. In fast 1400 kirchlichen Gebäuden seien 28 000 Menschen untergekommen, dazu mehrere tausend in den Unterkünften des katholischen Wohlfahrtsverbands Caritas und des Malteser-Hilfsdienstes. 5900 Hauptamtliche kümmern sich um die Flüchtlinge - und zunehmend auch um die schätzungsweise 100 000 ehrenamtlichen Helfer, die nach einem Jahr Arbeit oft stark belastet seien.

Der Caritas-Chef hält den Hartz-IV-Satz für deutlich zu niedrig

Der Kardinal appellierte erneut an die Politiker und Bürger, in der Flüchtlingsdebatte auf einen angemessenen Ton zu achten. "Mancherorts hat sich die Sprache bedenklich radikalisiert", sagte Marx, das werde den Menschen nicht gerecht, "die in ihrer ganz großen Mehrheit eben keine Terroristen oder Kriminelle sind". Gefordert seien "Klugheit, Sachlichkeit und Nüchternheit im Umgang mit den Schwierigkeiten" aber auch "das klare Bekenntnis, dass unser Land den Armen und Bedrängten nicht den Rücken zuwendet". Der Kardinal sprach sich für ein umfassendes und differenziertes Einwanderungsgesetz aus, das den verschiedenen Formen der Migration gerecht werde. Derzeit kämen viele Menschen über das Asyl- und Flüchtlingsrecht nach Deutschland, die eigentlich aus wirtschaftlichen Gründen einwandern wollten. Hier solle der Gesetzgeber mehr Klarheit schaffen; Deutschland sei "seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland", zu lange habe die Politik vor dieser Tatsache die Augen verschlossen.

Auf ihrem Studientag hatten sich die 66 Bischöfe und Weihbischöfe mit der Armut in Deutschland beschäftigt. Dabei sagte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, keine Gesellschaft könne sich menschlich nennen, "wenn sie das Schicksal ihrer Armen aus dem Blick verliert oder die Schuld dafür bei anderen Armen sucht und diese zum Sündenbock macht". Caritas-Präsident Peter Neher kritisierte die vom Bundeskabinett beschlossene Erhöhung des Hartz-IV-Satzes um fünf Euro auf 409 Euro im Monat. Nötig seien nach den Berechnungen seines Verbandes 464 Euro, um den Grundbedarf eines Erwachsenen zu decken; eine solche Erhöhung um 60 Euro würde für die Empfänger "den Stress mindern, der aus materiellem Mangel folgt".

Die Bischofskonferenz traf auch wichtige Personalentscheidungen. Eine Überraschung gab es bei der einflussreichen Glaubenskommission, deren Vorsitz nach der Emeritierung des Mainzer Kardinals Karl Lehmann frei geworden war. Als Favorit für den Posten galt der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer: Er ist Mitglied der Glaubenskongregation in Rom und Schüler von deren Präfekten Kardinal Gerhard Ludwig Müller; zudem hat er sich als Verwalter des theologischen Werkes von Papst Benedikt XVI. einen Namen gemacht. Die Bischöfe wählten aber nicht den theologisch konservativen Voderholzer, sondern den Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann, der als vermittelnd gilt. Auffällig ist auch, dass der Kölner Kardinal Woelki, derzeit neben Marx der einzige Kardinal unter den amtierenden Bischöfen, sich nicht an die Spitze einer Kommission wählen ließ. Zuständig für die Jugend ist künftig der 51-jährige Passauer Bischof Stefan Oster.

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