Katholikentag:Reformer unter sich

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Vorbereitungen für das größte Präsenztreffen der Katholiken seit mehr als zwei Jahren: Vor dem neuen Schloss in der Stuttgarter Innenstadt wird eine Bühne für die viertägige Veranstaltung aufgebaut. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Sexualisierte Gewalt, queere Angestellte, demokratische Mitbestimmung: Beim Katholikentag geht es auch um Krisenthemen. Doch prominente konservative Vertreter fehlen.

Von Annette Zoch

Drei Meter breit und etwa 80 Meter lang soll er sein - der größte Martinsmantel der Welt. An Christi Himmelfahrt soll das 240 Quadratmeter große Stück Stoff zum ersten Mal ausgerollt werden und dann vom Neuen Schloss in Stuttgart bis zum Altar des Eröffnungsgottesdienstes reichen. In den vergangenen Wochen war das Riesen-Textil von Kindergärten, Schulen, Pfarreien und Verbänden der Diözese Rottenburg-Stuttgart aus 1100 Stoffstücken gestaltet und von einer Stuttgarter Ledermanufaktur zusammengenäht worden. Beim Abschlussgottesdienst am Sonntag wird es dann wieder aufgetrennt und mit den Heimreisenden ins ganze Land verteilt werden. "Leben teilen", so lautet das Motto des 102. Katholikentags.

Hier, in der Diözese, die sich den Heiligen Martin von Tours zum Patron erkoren hat, werden von diesem Mittwoch an etwa 30 000 Besucherinnen und Besucher erwartet. Es ist der erste Katholikentag in Präsenz seit Beginn der Corona-Pandemie. Endlich wieder bunte Schals und "Meile der Begegnung" statt Livestream und Schlafanzughose. Doch ein ausgelassenes Fest des Glaubens ist trotzdem nicht zu erwarten: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine prägt auch das Christentreffen. Am Freitagmittag soll eine Antikriegsdemonstration im Zentrum Stuttgarts stattfinden, auf zahlreichen Podien soll über den Krieg und seine Folgen diskutiert werden, teilte das veranstaltende Zentralkomitee der deutschen Katholiken mit.

Wie immer hat sich auch einiges an Politik-Prominenz angesagt - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird zum Eröffnungsgottesdienst erwartet. Auf Podien, in Foren und anderen Gesprächsformaten werden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sitzen, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (alle Grüne), um nur einige zu nennen. Auffällig ist aber, wie rar sich Unionspolitiker machen. Früher waren Katholikentage praktisch Pflichttermine für Politiker der C-Parteien. Doch CDU-Chef Friedrich Merz ist nicht da, von seinen Stellvertretern nimmt nur Andreas Jung teil. Auch CSU-Chef Markus Söder sucht man vergeblich, die Christsozialen sind mit Manfred Weber vertreten, dem Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Europaparlament.

Kardinal Woelki kommt nicht

Neben Krieg und Klima-Katastrophe bringt die Kirche selbst auch einiges an Krisenpotenzial für Diskussionen mit: Es wird um den Umgang mit sexualisierter Gewalt gehen, um die Gleichberechtigung von Frauen, den Umgang mit queeren Gläubigen und Mitarbeitenden, um demokratische Mitbestimmung. Zu einem echten Austausch wird es aber kaum kommen, die Reformer bleiben unter sich. Konservative Vertreter wie der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki oder der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer sind laut Programm nicht zugegen. Der gastgebende Bischof Gebhard Fürst betont, er habe in der Bischofskonferenz "mehrfach alle informiert und herzlich eingeladen".

Woelki feiert stattdessen an Himmelfahrt im Marienwallfahrtsort Velbert-Neviges im Kreis Mettmann ein Pontifikalamt, danach nimmt er an einer Diskussionsrunde teil mit dem Titel "Wie kann ich heute von meiner Kirche sprechen?"

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