Katholiken:Streit streng nach Alphabet

Der Beginn des "Synodalen Wegs" zeigt bereits, wo in der Kirche die Fronten verlaufen.

Von Matthias Drobinski und Annette Zoch, Frankfurt

Demokratie kann ganz schön mühsam sein, erst recht in der katholischen Kirche, wo demokratische Prozesse schnell im Verdacht stehen, der Beliebigkeit Vorschub zu leisten: Man kann doch nicht über die Wahrheit abstimmen! Aber auch eine Versammlung, die Gottes Geist auf die Sprünge und der Kirche aus der Krise helfen will, braucht eine Geschäftsordnung. Auch beim Synodalen Weg, dessen erste Versammlung noch bis Samstag dauert, müssen Ausschüsse besetzt werden, die vier Foren zu Macht in der Kirche, Sexualität, die Lebensform der Priester, die Rolle der Frauen. Auch in der Versammlung, die sich der Debatte auf Augenhöhe verschrieben hat, kann nicht jeder der 230 Delegierten Mitglied einer Arbeitsgruppe sein. Das sorgt im ehemaligen Dominikanerkloster in Frankfurt für Gegrummel: Was ist mit den anderen?

Satzungsfragen sind ja immer auch Machtfragen. Eine Delegierte fordert: Die Arbeitsgruppen müssen paritätisch von Frauen und Männern geleitet werden. Das wird angenommen; genauso benötigen Beschlüsse nicht nur die Zweidrittelmehrheit der Bischöfe, wie vom Vatikan gefordert - sondern auch die Zweidrittelmehrheit der Frauen. Andere Delegierte fordern, dass die Arbeitsgruppen größer werden. Da gibt es einen Kompromissvorschlag. Der Freitagnachmittag zieht sich hin, manchmal ist es chaotisch wie bei den Grünen 1983; ein Baby schreit dazwischen. "Da steckt einige noch nicht ausgesprochene Emotion im Raum", sagt ein Delegierter. Sie macht sich in Geschäftsordnungsanträgen Luft.

Erste Versammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt

Frauen stehen in der katholischen Kirche in der zweiten Reihe – im übertragenen und manchmal auch im Wortsinn, wie Ende Januar im Frankfurter Dom (vorne in der Mitte: Kardinal Reinhard Marx).

(Foto: Andreas Arnold/dpa)

Am Morgen gibt es gleich einen Paukenschlag; es zeigt sich, an welchen Fronten entlang zwei Jahre lang die katholischen Reformdebatten laufen könnten. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer stellt die Versammlung grundsätzlich infrage: Er finde nicht, dass die im September 2018 veröffentlichte Studie zu Ausmaß und Ursachen der sexuellen Gewalt in der Kirche eine innerkirchliche Reformdebatte nötig mache. Ein Zusammenhang zwischen Missbrauch, Zölibat und Sexualmoral sei nicht bewiesen. Es gibt Gegenreden: Peter Neher der Präsident des katholischen Sozialträgers Caritas, erklärt, aus seiner Arbeit wisse er, dass die kirchliche Sexualmoral Menschen in Konfliktlagen nicht helfe und nicht mehr zeitgemäß sei. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki argwöhnt, die Versammlungsleitung aus dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken und der Bischofskonferenz wollten ihr Programm durchpeitschen und kritischen Fragen keinen Raum geben, was die Angesprochenen weit von sich weisen.

Theologe Thomas Söding:

"Es liegt an uns, ob die Synodalversammlung in Zwist und Frust endet oder ob sie unsere Kirche auf dem Weg der Umkehr und Erneuerung voranbringt."

Wehte nicht noch am Abend zuvor feierlicher Optimismus durch den Frankfurter Kaiserdom, der Geist des großen Aufbruchs? Der Gottesdienst zur Eröffnung symbolisierte, wie die Macher des Reformprozesses sich den Weg vorstellen, den die Delegierten aus der Bischofskonferenz, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), den Orden und kirchlichen Berufsgruppen gehen wollen. Die Bischöfe zogen nicht gemeinsam in machtvoller Prozession ein, sondern saßen im schwarzen Anzug in der Kirchenbank als normale Gottesdienstteilnehmer. Auch in der Synodenversammlung sitzen die Bischöfe nicht zusammen als Block, die Sitzordnung ist streng alphabetisch.

Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Katholischen Bischofskonferenz, sprach von einem "Weg, der einmalig ist", und von einem Experiment. Der ZdK-Präsident Thomas Sternberg sagte, der Missbrauchskandal habe Unruhe, Unzufriedenheit und Verärgerung ausgelöst. Viele Menschen seien kurz davor, der Kirche den Rücken zu kehren. Jetzt müsse man mutig Reformen anpacken - und auch mal Voten verfassen, über die letztlich nur ein Konzil entscheiden könne. Da gab es Applaus.

Und jetzt? Jetzt sind die Mühen des Diskurses da, die Mühen des Dialogs auf Augenhöhe, den hier theoretisch alle wollen. "Gut, dass es emotionale Debatten gibt", sagt der Jesuitenpater Bernd Hagenkord, einer der geistlichen Begleiter dieses Prozesses, alles glattzubügeln sei auch keine Lösung. Am Morgen hat er über den Brief gepredigt, den einst der Apostel Paulus an die Philipper geschrieben haben soll: "Freut euch im Herrn zu jeder Zeit", heißt es da. "Das mit der Freude ist aber so eine Sache", sagt Hagenkord, "Paulus schreibt den Brief aus dem Gefängnis. Der Brief ist ein Stück Leidensbewältigung."

Ein weiterer Geschäftsordnungsantrag: Schon in den Foren sollen Beschlüsse einmütig fallen und dürfen nicht der gegenwärtigen Lehre der Kirche widersprechen - die Versammlung lehnt das mit mehr als 80 Prozent der Stimmen ab. Ein nächster Antrag: Die Versammlungsteilnehmer sollen sich nicht mehr mit ihrem Titel anreden - nicht als Professorin oder Bischof soll man diskutieren, sondern einfach als Christin oder Christ; das wird knapp abgelehnt. Um viertel vor fünf dann die Schlussabstimmung: Die Geschäftsordnung ist angenommen, mit 90 Prozent Zustimmung. Die Kaffeepause kann kommen. Und, mit drei Stunden Verspätung, die inhaltliche Debatte über Macht und Gewaltenteilung in der Kirche.

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