Nachfolge von Kardinal Marx:Wer den Bischöfen künftig vorsitzen könnte

Mainzer Bischof Peter Kohlgraf

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf gehört zwar zum Reformlager, ihm wird aber zugetraut, auch auf die Konservativen zugehen zu können.

(Foto: Andreas Arnold/picture alliance)
  • In Mainz werden die deutschen katholischen Bischöfe auf ihrer heute beginnenden Vollversammlung einen neuen Vorsitzenden wählen.
  • Verstärkt in den Blick gerückt ist zuletzt der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf. Er gehört zu den Reformern, tritt aber konziliant auf.
  • Wer immer es wird: Der Neue wird sich einigen Herausforderungen stellen müssen.

Von Matthias Drobinski, Frankfurt

Ein Hauch von Konklave wird diesen Dienstag durch den Erbacher Hof in Mainz wehen, dabei verströmt das Bildungshaus des Bistums Mainz statt vatikanischer Pracht den spröden Charme der 80er-Jahre. Doch das Verfahren, mit dem die katholischen Bischöfe Deutschlands einen neuen Vorsitzenden bestimmen, ist durchaus mit der Papstwahl vergleichbar. Die Versammelten beten zum Heiligen Geist, dann schreibt jeder auf einen Zettel, wen er für geeignet hält. Offizielle Kandidaten gibt es nicht, es wird gewählt, bis einer zwei Drittel der Bischöfe und Weihbischöfe hinter sich versammelt hat - der ist's.

Aber wer wird es sein? Seit der Münchner Kardinal Reinhard Marx am 11. Februar verkündet hat, für eine zweite Amtszeit nicht mehr zur Verfügung zu stehen und Platz für jemanden aus der jüngeren Generation machen zu wollen, läuft das fröhliche Favoritenraten. Wer wird in den kommenden sechs Jahren die katholische Kirche in Deutschland nach außen hin repräsentieren - eine Kirche, die bis ins Mark getroffen ist vom Missbrauchsskandal, in der auch viele treue Gemeindemitglieder grundlegende Reformen wünschen?

Der zusammen mit Kardinal Marx ranghöchste Hirte scheidet dabei gleich aus: Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki hat erklärt, dass er nicht zur Verfügung stehe. Er gehört zu der konservativen Minderheit, die zum Beispiel dem "Synodalen Weg" skeptisch gegenübersteht, dem Reformprozess, den Bischöfe und Laienvertreter Ende Januar begonnen haben.

Bestenfalls als Übergangskandidat dürfte der bisherige Stellvertreter von Marx infrage kommen: Franz-Josef Bode aus Osnabrück war lange krank und stünde mit seinen 69 Jahren nicht für den gewünschten Generationenwechsel. Von den erfahrenen Bischöfen hätte Franz-Josef Overbeck aus Essen die Tatkraft und das intellektuelle Format für den Vorsitz - ihm aber, so heißt es, hätten die Konservativen nicht den Seitenwechsel von einem der ihren zum Befürworter des Wandels verziehen.

So geraten die jüngeren Vertreter der Bischofskonferenz in den Blick (die auch alle über 50 sind). Unter ihnen hat seit seinem Amtsantritt im September 2018 der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer von sich reden gemacht, mit seiner schonungslosen Analyse, dass als Konsequenz des Missbrauchsskandals sich das gesamte Selbstverständnis der Kirche ändern müsse. Seine Wahl wäre ein echter Bruch mit dem Überkommenen. Gerade das aber, was viele bei Wilmer an Mut, Brillanz und Klarheit bewundern, verschreckt manchen Mitbruder, dem das alles zu radikal ist.

Deshalb ist verstärkt der Gastgeber der Versammlung in den Blick gerückt - der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, 52, seit zweieinhalb Jahren im Amt. Er gehört zu den Reformern, tritt aber konziliant auf. Lange war er Priester im Erzbistum Köln und kennt von daher den heutigen Kardinal Woelki gut. In seiner Kirchenzeitung Glaube und Leben wirbt er in der aktuellen Ausgabe für faire Debatten unter den Bischöfen - wenn dies nicht gelinge, wie könne man sie dann "mit erhobenem Zeigefinger" von der Gesellschaft fordern?

Das Vorsitzenden-Amt gehöre "entschlackt" - der Gewählte sei "weder der Chef der Bischöfe noch quasi der deutsche Papst, er ist der Sprecher". Das kann man als guten Rat des gastgebenden Bischofs lesen - aber auch als Bewerbungsschreiben. Viele Bischöfe wünschen nach dem dominanten und nicht zum Teamwork neigenden Kardinal Marx einen moderierenden Vorsitzenden, der aufs Mannschaftsspiel setzt.

Gleich nach der Wahl soll die Entschädigung von Opfern sexueller Gewalt geregelt werden

Wer immer es wird: Der Neue wird sich gleich einigen Herausforderungen stellen müssen. Die Struktur der Bischofskonferenz gilt als reformbedürftig, die sechsjährige Amtszeit des Vorsitzenden als zu lang, die Zahl der Kommissionen mit ihren zeitfressenden Sitzungen als zu groß. Dass mit Marx nun auch Hans Langendörfer geht, der fast ein Vierteljahrhundert Sekretär der Bischofskonferenz war, gilt als Last und Befreiung zugleich: Langendörfers Erfahrung und Kompetenz werden fehlen, ein neues Team aber kann leichter mit überkommenen Traditionen brechen.

Vor allem aber wird der Neue eine zunehmend polarisierte Bischofskonferenz wieder zusammenführen müssen. Marx hat auch zermürbt, dass die konservative Minderheit sich ständig in Rom beschwerte, weil sie sich von der Mehrheit marginalisiert sah (und auch von Marx überrannt). Einer der Protagonisten der Konservativen, der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, hat vorgeschlagen, den Vorsitzenden nicht mehr zu wählen, sondern das Amt im Dreijahresrhythmus alphabetisch von Bischof zu Bischof weiterzugeben. Es wäre damit bedeutungslos.

Wie durchsetzungsstark und dabei vermittelnd der Neue ist, kann er gleich nach seiner Wahl zeigen. Die Bischöfe beraten dann, wie sie künftig die Betroffenen von sexueller Gewalt entschädigen wollen. Auf dem Tisch liegt der Vorschlag, Geschädigten deutlich mehr zu zahlen als bisher, "an die 5000 Euro, die es bislang als Höchstgrenze gab, noch eine Null zu hängen", wie ein Insider sagt. Eine Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz unter Beteiligung der Betroffenen hatte jedoch Modelle entwickelt, die Zahlungen bis zu 300 000 beziehungsweise 400 000 Euro vorsahen. Entsprechend kritisch werden viele Reaktionen sein - und auf eine gute Antwort des Vorsitzenden warten.

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