Katholiken:Feuer im Dom

Kardinal Woelki bittet zu Weihnachten um Verzeihung

"Der Erzbischof von Köln hat als moralische Instanz versagt und zeigt bis heute keine Haltung" - das sagt der Vorsitzende des Diözesanrats über Kardinal Rainer Maria Woelki.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Der Kölner Erzbischof Woelki gerät wegen seines Umgangs mit Missbrauchsfällen auch intern immer stärker unter Druck. Nun kündigen sogar die führenden Laien seines Bistums dem Kardinal die Zusammenarbeit auf.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Die Kölner Feuerwehr reagierte mit einem Großeinsatz: Hundert Rettungskräfte rasten in 30 Fahrzeugen zum Kölner Dom, nachdem ein Anrufer am Freitagmorgen gegen halb fünf Uhr verdächtige Rauchschwaden über der Kathedrale ausgemacht hatte. 45 Minuten vergingen, ehe die Brandschützer Entwarnung signalisierten. Nebel und Niesel hatten im Licht der Beleuchtung wie Qualm gewirkt - ein Fehlalarm.

Und dennoch brennt es lichterloh im Haus von Kardinal Rainer Maria Woelki. Spätestens seit Donnerstagabend: Denn da beschloss der Diözesanrat, das Gremium katholischer Laien im Bistum, dem Bischof bis auf weiteres die Zusammenarbeit aufzukündigen. "Aufgrund der ungeklärten Missbrauchsaufarbeitung", so der Beschluss der Vollversammlung, existiere derzeit "keine hinreichende Akzeptanz", um mit Woelki und der Kirchenleitung gemeinsam über Reformen zu beraten. Zunächst, so heißt es weiter, müsse erst wieder eine "Basis für Vertrauen und Glaubwürdigkeit hergestellt werden". Das Misstrauensvotum der katholischen Basis erfolgte bei einer Gegenstimme - nur ein Weihbischof votierte dagegen.

"Wir befinden uns in der größten Kirchenkrise, die wir alle je erlebt haben"

Am Freitag wurde der Vorsitzende des Diözesanrats, der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach, noch deutlicher: "Wir befinden uns in der größten Kirchenkrise, die wir alle je erlebt haben. Der Erzbischof von Köln hat als moralische Instanz versagt und zeigt bis heute keine Haltung." Die Verantwortlichen, so der Sozialdemokrat, müssten "endlich auch Verantwortung übernehmen." Den harschen Worten schloss sich wenige Stunden später das Zentralkomitee der deutschen Katholiken per Solidaritätsadresse.

Über Woelki schlägt seit Herbst eine Woge der Kritik zusammen, nachdem der Kardinal ein - ursprünglich von ihm selbst initiiertes - Gutachten über jahrzehntelange Versäumnisse der Kirchenleitung bei der Aufarbeitung und Verfolgung von Fällen sexuellen Missbrauchs zur Verschlusssache erklärt hatte. Das Bistum reklamierte "rechtliche Bedenken" gegen eine Veröffentlichung, das Gutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) weise "methodische Mängel" auf.

"Warten Sie nicht, bis Rom entscheidet", fordert das Laiengremium

Zudem sah sich Woelki persönlich Vorwürfen der Vertuschung ausgesetzt, nachdem der Kölner Stadtanzeiger im Dezember den Fall eines früheren Düsseldorfer Paters enthüllt hatte: Pfarrer O., ein Mentor und langjähriger Bekannter von Woelki, soll einst einen Jungen im Kindergartenalter schwer missbraucht haben. Woelki prüfte den Fall, nachdem das Opfer sich beim Bistum gemeldet hatte. Jedoch verzichtete er auf eine Meldung nach Rom. Kirchenrechtler bewerteten dieses Vorgehen als Verstoß gegen Regeln des Vatikans.

Die katholischen Laien verlangen nun, Woelki solle das WSW-Gutachten unverzüglich veröffentlichen: "Transparenz und Offenlegung aller Sachverhalte ist die Mindestanforderung an Aufklärung und Aufarbeitung." Woelki solle auch im Fall O. persönliche Verantwortung übernehmen: "Warten Sie nicht, bis Rom entscheidet."

Zudem legte der Diözesanrat den Kirchenoberen eine Reihe von Fragen vor, die sich wie eine Anleitung zur Beichte lesen: "Bin ich allen Verdachtsmomenten nachgegangen, vor allem auch, um weiteres Leid zu verhindern?", heißt es da, und weiter: "Wo habe ich geschwiegen, weggesehen, verharmlost und damit - direkt oder indirekt - zur Vertuschung von Missbrauch beigetragen?" Die wenigsten Antworten, so mahnen die Laien, "werden Sie in den Akten finden".

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