Süddeutsche Zeitung

Katastrophenschutz:Was passiert bei einem großen Stromausfall?

  • Die Katastrophenschutz-Behörde ist der Frage nachgegangen, was passiert, wenn der Strom länger und in ganzen Bundesländern ausfällt.
  • Kritische Infrastrukturen, wie Krankenhäuser, Feuerwehren, Wasserwerke, haben sich zwar mit Notstromaggregaten gerüstet - das aber in der Regel nur für 72 Stunden.
  • An Treibstoff mangelt es nicht. Unklar ist aber wie er bei Stromausfall an Generatoren, Tankstellen und zu Raffinerien kommt.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Was ein längerer Stromausfall so alles nach sich zieht, das wissen am ehesten noch die Münsterländer. 250 000 Menschen waren dort 2005 ohne Strom, nachdem ein Wintereinbruch spröde Masten gefällt hatte. Erst brachen die Telefonnetze zusammen, dann tauten die Gefrierschränke auf, schließlich blieben Autos liegen. In den Ställen funktionierten weder Fütterung noch Melkanlage, die öffentliche Versorgung brach zusammen. Nur der massive Einsatz von Notstromaggregaten verhinderte Schlimmeres. Es dauerte Tage, bis die Gemeinden wieder am Netz waren.

Was aber, wenn der Strom länger ausfällt? Wenn nicht ein paar Gemeinden, sondern ganze Bundesländer betroffen sind? Dann nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Denn die sogenannten kritischen Infrastrukturen, wie Krankenhäuser, Feuerwehren, Wasserwerke, haben sich zwar mit Notstromaggregaten gerüstet - das aber in der Regel nur für 72 Stunden. Danach geht ihnen der Treibstoff aus. Und dann?

Experten des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sind der Frage nun nachgegangen, ihre Empfehlungen für den Katastrophenschutz liegen der Süddeutschen Zeitung vor. Und die sind keineswegs trivial: Denn um die Notstromaggregate weiterbetreiben zu können, braucht es Diesel. Um den aber aus den Tanks zu bekommen, braucht es, nur zum Beispiel, Strom.

Auf derlei Probleme sind deutsche Katastrophenschützer offenbar noch nicht ausreichend vorbereitet. "Zum heutigen Zeitpunkt würde die Auslagerung und Verteilung ohne ausreichende Vorbereitung in Teilen scheitern", sagt Christoph Unger, Präsident der Katastrophenschutzbehörde. Dabei sei gerade die Versorgung mit Treibstoffen "der Schlüssel zur Bewältigung eines großräumigen und lang anhaltenden Stromausfalls".

An den Kraftstoffen mangelt es nicht. Derzeit gibt es in Deutschland genug Ölreserven für 90 Tage - als Teil der "Ölkrisenvorsorge": 15 Millionen Tonnen Rohöl und 9,5 Millionen fertige Kraftstoffe lagern in den riesigen Reservetanks, verteilt aufs ganze Land. Nur hat sich noch niemand eingehend Gedanken darüber gemacht, wie deren Inhalt bei Stromausfall an Generatoren, Tankstellen und zu Raffinerien kommt; auch das Katastrophen-Amt des Bundes gibt nun erstmals Empfehlungen dazu ab. So seien die Vorräte "im Normalfall über Systeme der Informationstechnik gesichert", heißt es in dem Bericht. Wenn sich der Treibstoff aber aus dem Lager pumpen lässt, auch wenn die Computer nicht laufen - wie kommt er ans Ziel?

Die deutsche Stromversorgung gilt als eine der sichersten der Welt

In Frage kommen aus Sicht der Katastrophenschützer vor allem Heizöl-Laster oder Tankwagen, die normalerweise Baustellen versorgen. Problem: Viele dieser Lkw sind mit einer "IT-gestützten Diebstahlsicherung geschützt, die eine Auslagerung des Produkts ohne Verifikation verhindert", schreiben die Experten. Sprich: Der Tank lässt sich zwar leicht befüllen, aber bei Serverausfall schwer entladen.

Hinzu kommt der menschliche Faktor. So empfiehlt das Bundesamt, in jedem Kreis mindestens eine Tankstelle zu benennen, die im "Ereignisfall" Kraftstoffe abgeben kann, also ein entsprechendes Notstromaggregat hat. "Zu beachten ist, dass eine rein technische Ausstattung nicht ausreicht", heißt es dazu. "Wichtig ist, dass ausreichend fachkundiges Personal für die Bedienung der Notstromanlage vorhanden ist." Auch empfiehlt das 116-seitige Papier, dafür Betriebstankstellen auszuwählen, wie sie Firmen und Behörden mit großen Fuhrparken unterhalten: Die sind meistens umzäunt und sicher vor Überfällen.

Grundsätzlich sei das Szenario "unwahrscheinlich, aber plausibel" - die deutsche Stromversorgung gilt als eine der sichersten der Welt. Dennoch sei es wichtig, die Vorkehrungen schon jetzt zu treffen. "Es muss festgelegt werden, wer den Treibstoff vorrangig erhalten soll", sagt Unger. Schließlich werden sich um das Öl nicht nur Krankenhäuser und Wasserversorger rangeln, sondern auch Landwirte, Industriebetriebe, die Verwaltung. So empfiehlt die Behörde schon jetzt, auch in Ministerien "die wichtigsten Prozesse zur Sicherung des Dienstbetriebs" zu definieren.

Not kennt kein Gebot, und so würde selbst Verbotenes möglich: die Betankung von Dieselfahrzeugen mit steuerverbilligtem Heizöl. Hier könne "das Mittel des Erlasses der Zahlung der Steuerdifferenz zur Anwendung kommen", schreiben die Autoren. Aber nur "in letzter Konsequenz".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3788905
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.12.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.