Sie hätte es in der Hand gehabt. Angela Merkel hätte die harte Konfrontation mit der Opposition über die Zukunft der Atomenergie an diesem Donnerstag beenden können. Hätte. Sie hat es nicht getan.
"Herr Oppermann", sagt die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung zum Fraktionsgeschäftsführer der SPD im Bundestag, "ich danke Ihnen für das Angebot, mit uns gemeinsam ein Abschaltgesetz zu beschließen." Dann ergänzt sie, sie finde, "dass wir dieses Angebot nicht anzunehmen brauchen".
Thomas Oppermann war am Mittwoch vorgeprescht. Er bezweifelt, dass das von Merkel verkündete Moratorium für die schwarz-gelbe AKW-Laufzeitverlängerung juristisch sauber ist. Und nicht nur Oppermann denkt so. Auch der CDU-Abgeordnete Siegfried Kauder, Bruder des Unions-Fraktionschefs Volker Kauder, hält ein Gesetz für geboten. Der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier hält Merkels Vorgehen gar für verfassungswidrig.
Merkel wollte Entschlossenheit zeigen, als sie am Montag im Lichte der japanischen Katastrophe das Moratorium ankündigte. Drei Monate lang soll auf Grundlage des rot-grünen Atomausstiegs geprüft werden, ob die deutschen Reaktoren sicher sind. Ältere Meiler müssten dafür abgeschaltet werden, "sonst wäre das ja kein Moratorium", sagte Merkel.
Sollte die Kanzlerin bei dieser Entscheidung juristische Berater gehabt haben, dürfte sie diese inzwischen verfluchen. Denn inzwischen ist klar, dass beim Moratorium nichts klar ist.
Deal oder kein Deal?
Merkel verheddert sich an diesem Donnerstag im juristischen Klein-Klein beim Versuch, ihren Standpunkt zu erklären. Sie zitiert Paragraphen aus dem Atomgesetz, versucht die Abschaltung der acht ältesten Atomreaktoren als "aufsichtsrechtliche Maßnahme" hinzustellen. Am Mittwoch hatte sie die Entscheidung noch als "politische Erklärung" hingestellt. Die Opposition quittiert das Hin und Her mit lauten Zwischenrufen, irgendwann reicht es Merkel. "Hören Sie doch mal zu", ruft sie. Und: "Jetzt rede ich." Nur dringt sie kaum durch.
Sie fordert, sich jetzt nicht gegenseitig der juristischen Trickserei zu bezichtigen. Bleibt die Frage, wer da wen bezichtigt. Siegfried Kauder jedenfalls, Jurist und Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag, sieht die Sache so: Nach der von Merkel gewählten Rechtsgrundlage im Atomgesetz müsse eine konkrete Gefahr von einem deutschen Atomkraftwerk ausgehen, um es vorläufig abschalten zu können. Also zum Beispiel, wenn Radioaktivität austritt. "Das ist in Deutschland nicht der Fall. Deshalb ist ein Aufhebungsgesetz, wenn man die Kernkraftwerke stilllegen will, unumgänglich."
Merkel verwahrt sich gegen diese Ansicht - und geht damit auf Risiko. Die Süddeutsche Zeitung hat erfahren, dass sie durchaus mit Klagen der Atomkraftwerksbetreiber zu rechnen hat. Die Stromkonzerne müssen einen solchen Schritt sogar erwägen, wenn sie ihren Aktionären gerecht werden wollen. Allerdings haben die Betreiber vier Wochen Zeit, gegen mögliche Stilllegungsbescheide Einspruch einzulegen. Das würde reichen, um die Sache bis nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hinauszuzögern.