Katastrophe in Soma:Türkische Justiz erhebt Anklage gegen drei Verdächtige

Katastrophe in Soma: Eine Angehörige trauert auf dem Friedhof von Soma um die Opfer.

Eine Angehörige trauert auf dem Friedhof von Soma um die Opfer.

(Foto: AFP)

+++ Staatsanwaltschaft in Soma leitet Verfahren ein +++ Polizei nimmt hochrangige Mitarbeiter des Zechenbetreibers fest +++ Deutsche Politiker kritisieren geplanten Erdoğan-Auftritt in Köln +++

Die Entwicklungen im Newsblog

  • Türkische Polizei nimmt mehr als 20 Verdächtige fest, Justiz ermittelt gegen drei Verdächtige
  • Regierung erklärt Suche nach Opfern in Soma für beendet
  • Deutsche Politiker kritisieren geplanten Erdoğan-Auftritt in Köln

Verfahren wegen fahrlässiger Tötung: Fünf Tage nach dem folgenschwersten Grubenunglück in der Geschichte der Türkei mit 301 Toten leitet die türkische Justiz die Ermittlungen gegen drei Verdächtige ein. Staatsanwalt Bekir Sahiner sagt Reportern am Sonntagabend in Soma, die drei seien Teil der insgesamt 25 Verdächtigen, die am Sonntag festgenommen wurden. Medienberichten zufolge gehört zu den Festgenommenen auch die Leitung des Zechenbetreibers. Die Regierung hatte dem Zechenbetreiber noch bis zum Samstag öffentlich bescheinigt, alle Sicherheitsauflagen eingehalten zu haben. Mit Aussagen, Grubenunglücke seien nicht zu vermeiden, hatte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan wütende Massenproteste hervorgerufen.

Suche nach Opfern des Grubenunglücks ist zu Ende: Vier Tage nach dem Grubenunglück in Soma erklärt die türkische Regierung die Suche nach Opfern für beendet. Der Eingang zur Mine wurde mit einer Ziegelmauer verschlossen. Zu dem Areal hätten türkischen Medienberichten zufolge ab jetzt nur noch Experten Zutritt, die den Vorfall untersuchten. "Es gibt keine Vermissten mehr", sagte Energieminister Taner Yildiz am Samstag der Nachrichtenagentur dpa zufolge. Am Nachmittag seien die letzten beiden Leichen aus dem Kohlebergwerk geborgen worden. Am Samstagmorgen war nach Angaben des Ministers ein neuer Brand in der Kohlegrube ausgebrochen - etwa 250 Meter von der Stelle entfernt, wo die letzten zwei vermissten Bergleute vermutet wurden. Das Feuer sei am Mittag aber unter Kontrolle gebracht worden. Die Zahl der Toten liege nach der Bergung der letzten beiden Bergleute bei 301. 485 Kumpel hätten die Katastrophe vom Dienstag überlebt. Die Suche nach Überlebenden sei "ein Rennen gegen die Zeit" gewesen, so Minister Yildiz. Den Angehörigen der Opfer sagte er Hilfe zu.

Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten: Die türkische Polizei hat Reuters zufolge die Stadt Soma vier Tage nach dem Minenunglück zur Unterdrückung wütender Proteste abgeriegelt. Hunderte von Polizisten patrouillierten nach dem Ende der Bergungsarbeiten in den Straßen, während andere an der Zufahrtstraße Ausweise kontrollierten. 36 Menschen wurden verhaftet. In Soma war die Polizei bereits am Freitag mit Tränengas, Gummimantelgeschossen und Wasserwerfern gegen mehrere Tausend Demonstranten vorgegangen. Diese gaben dem Bergwerk-Betreiber und der Regierung eine Mitschuld an dem Unglück und warfen ihnen vor, Profitinteressen über die Sicherheit der Bergleute gestellt zu haben.

Kritik an geplantem Erdoğan-Auftritt in Köln: Politiker von SPD, CDU und Grünen haben sich gegen den für nächsten Samstag geplanten Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan in Köln ausgesprochen. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, mit seiner Reaktion auf das Grubenunglück verwandele Erdogan die tiefe Trauer vieler Türken in Wut. Der Regierungschef könne jetzt nicht einfach Wahlkampf machen. Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) forderte Erdoğan auf, seine Rede abzusagen. "Ich halte den Besuch in Ablauf und Inhalt für abwegig und unangemessen", sagte er der WAZ. "Der Besuch kommt einem Missbrauch des Gastrechts nahe." Erdoğans Partei AKP hatte zuvor betont, der Auftritt in Köln sei keine Wahlkampfveranstaltung, sondern würdige das zehnjährige Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Kritiker gehen jedoch davon aus, dass Erdoğan Präsident werden und in Köln um Stimmen werben will. An der Wahl am 10. August dürfen erstmals auch die in Deutschland lebenden Türken teilnehmen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte Spiegel Online: "Erdoğan darf seine Wahlkampfschlachten nicht nach Deutschland verlagern."

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