Süddeutsche Zeitung

Katar:Nationalstolz im Supermarkt

Katar setzte nach der Blockade der arabischen Nachbarn 2017 auf Produkte "made in Qatar". Fische, Gemüse und Milch gibt es nun aus heimischer Herstellung. So wird der Einkauf zum patriotischen Akt.

Von Dunja Ramadan, Doha

Wer die Katarer besser verstehen will, sollte in einen großen Supermarkt fahren. Dafür nimmt man die rote U-Bahnlinie bis zur Station Doha Kongresszentrum, das zu einem riesigen WM-Ticketcenter umgebaut wurde. Ein paar Fans stehen dort an, über ihren Köpfen steht "celebrate". Es ist nicht zu übersehen: Die U-Bahn in Katar fährt erst seit Kurzem. Den Betonklotz der City Center Mall erreicht nur, wer einmal quer über eine stickige Tiefgarage läuft, vorbei an weiß-rotem Absperrband. Am Eingang des Supermarktes sticht das riesige Aquarium samt Kühlregal ins Auge. Die Aufschrift: "Unsere Farm - Zero Waste - natürlich - nachhaltig". Die Kunden schenken dem Glaskasten mit den pink angeleuchteten, etwas mickrigen Salatköpfen und den Fischen in Nudetönen nur wenig Aufmerksamkeit. Dabei steckt dahinter eine wichtige Botschaft: Seht her, wir können nun endlich für uns selbst sorgen. Der Einkauf bei uns ist ein patriotischer Akt.

Das Aquaponik-Verfahren wird auf Englisch und Arabisch erklärt. Demnach wird das Wasser aus der Fischhaltung aufbereitet und wiederverwendet, um Pflanzen mit Nährstoffen zu versorgen - ein fast emissionsfreier Kreislauf, der Fisch und Gemüse hervorbringt. Die Ergebnisse finden die Kunden ein paar Schritte weiter: Gurken, Auberginen und Salatköpfe - made in Katar. Daneben die Molkereiprodukte von Baladna, was "Unser Land" bedeutet, hier gibt es Karamelllatte und Mangojoghurt - auch made in Katar.

Als im Juni 2017 Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain eine Wirtschaftsblockade gegen das Emirat verhängten, brach Panik im Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen weltweit aus, Menschen rannten in die Supermärkte. Eine Bewohnerin erinnert sich heute noch an die Szenen: "Die Menschen parkten die Autos quer auf den Gehwegen. Ich dachte, ich wäre Statistin in einem amerikanischen Katastrophenfilm."

Damals wollten Saudi-Arabien und die anderen Länder den wohlhabenden Kleinstaat isolieren und unter anderem für die guten Beziehungen zur Türkei und zu Iran, mit dem Katar sich das größte Gasfeld der Welt teilt, abstrafen. Viele Araber zählten die Tage herunter: Wie lange würde das kleine Land wohl durchhalten? Das Land, das so gut wie alle Lebensmittel aus Saudi-Arabien bezog, die saudische Almarai-Milch war die Milch schlechthin. Doch Katar hielt durch, auch mit Hilfe der Türkei und Iran - und vielen extra eingeflogenen Kühen.

Ein kurzer Streifzug durch den Supermarkt auf der Suche nach der früher so beliebten Almarai-Milch verläuft ergebnislos. Immerhin hatte sich Katar Anfang 2021 mit den Nachbarn versöhnt. Ein Angestellter bestätigt die Vermutung: "Produkte aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten führen wir nicht mehr", sagt er. Als man ein paar Fotos schießt, von den türkischen Tomaten und den iranischen Paprika, aus den Ländern, die Katars loyale Verbündete sind, kommt ein zweiter Supermarktangestellter und rät einem, jetzt doch lieber zu gehen.

Nach dem Supermarktbesuch ist auch der Leitsatz besser zu verstehen, den viele Katarer seit der Blockade oft zitieren: "Wir dachten, es schadet uns, aber es hat uns weitergebracht."

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