Katar:Ein Schlüssel namens Mekka

Muslims gather around the Kaaba inside the Grand Mosque during the holy fasting month of Ramadan in Mecca

Muslime versammeln sich in der Großen Moschee in Mekka um die Kaaba. Etwa zwei Millionen Gläubige werden jährlich zum Hadsch erwartet.

(Foto: Faisal al Nasser/Reuters)

Kurz sah es so aus, als könnte die jährliche muslimische Pilgerfahrt den Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem unter Sanktionen stehenden Nachbarland mildern. Nun steht die Einigung auf der Kippe.

Von Moritz Baumstieger

Als sich der Schlagbaum am östlichen Rand der arabischen Welt zum ersten Mal seit 73 Tagen wieder öffnete, trafen sich im westlichsten aller arabischsprachigen Länder die Honoratioren, um diesen diplomatischen Durchbruch zu feiern. König Salman von Saudi-Arabien, derzeit auf Sommerfrische im marokkanischen Tanger, empfing Donnerstagnacht den katarischen Gesandten Scheich Abdullah bin Ali bin Abdullah bin Jassim Al Thani, Mitglied der Herrscherfamilie aus Doha. Die beiden Staaten befinden sich in einer Art kaltem Krieg, seit eine Koalition aus vier arabischen Ländern unter der Führung Saudi-Arabiens Anfang Juni eine Blockade gegen das Emirat Katar verhängte. Um aber zumindest den katarischen Gläubigen die Teilnahme am Hadsch zu ermöglichen, der muslimischen Pilgerfahrt nach Mekka, hatten die zerstrittenen Parteien miteinander verhandelt.

Wenige Tage später scheint die bei einem pompösen Bankett gefeierte Einigung schon wieder bedroht zu sein: Während Salman in Tanger noch die "tiefen historischen Beziehungen" zwischen den beiden Völkern und ihren königlichen Familien pries, weisen sich nun Riad und Doha gegenseitig die Schuld zu, warum der Deal bisher nur in Teilen klappt. Wirklich hoch ist die Zahl der katarischen Pilger bis heute nämlich nicht: Vor dem Start des muslimischen Wochenendes waren 120 Pilger auf dem Landweg eingereist, sie durften den seit über zwei Monaten verwaisten Grenzübergang Salwa sogar ohne die sonst nötige elektronische Einreisegenehmigung passieren und wurden laut saudischen Medien "äußerst warm" empfangen.

Die Pilger, die die etwa 1500 Kilometer von Katar nach Mekka bequemer mit dem Flugzeug zurücklegen wollten, warten jedoch noch immer. Der saudische König Salman hatte angekündigt, sie auf eigene Kosten mit Privatjets einzufliegen - gelandet ist jedoch immer noch keines der Wallfahrt-Shuttles: Riad beschuldigt das Emirat, seinen Flugzeugen seit Tagen die Landeerlaubnis zu verweigern. Die Katarer weisen das zurück - die Berichte entbehren "jeglicher Grundlage", sagte am Montag ein Vertreter der Zivilluftfahrtbehörde. Man habe die Anfrage wie üblich ans Religionsministerium verwiesen.

Saudi-Arabien müsste nun daran gelegen sein, die unklare Situation am Hamad International Airport in Doha zu klären und den Transport der Pilger schnell zu regeln. Nur noch bis Ende August dauern die Feierlichkeiten in Mekka, zu denen über zwei Millionen Gäste aus aller Welt erwartet werden. 20 000 Katarer hatten ein Pilgervisum beantragt, 1600 von ihnen bekamen eines bewilligt. Saudi-Arabien erteilt die Zulassungen gemäß vorher festgelegten Quoten, weil die Zahl derer, die nach Mekka reisen wollen, bei Weitem die ohnehin schon ausgereizten logistischen Kapazitäten am Ort übersteigt.

Ein alter Vorwurf erhält neue Nahrung: Riad instrumentalisiere die Wallfahrt für politische Zwecke

Sollten aber nun nicht einmal diese wenigen katarischen Pilger ins Land gelangen, droht ein Vorwurf mehr Gewicht zu bekommen, dem sich Riad seit einigen Jahren ausgesetzt sieht: Das saudische Königshaus, das als Hüter der beiden heiligsten islamischen Stätten in Mekka und Medina eigentlich allen Muslimen verpflichtet sein sollte, instrumentalisiere die Wallfahrt. Staatsbürgern von politischen Gegnern werde die Reise nach Mekka unmöglich gemacht, die jeder Muslim einmal im Leben antreten sollte. Deshalb, so wird immer wieder gefordert, sollte dem Königshaus die Kontrolle über die Heiligtümer entzogen werden und stattdessen einer internationalen muslimischen Organisation übertragen werden.

Im vergangenen Jahr kam es zu einer Krise mit dem schiitischen Erzrivalen Iran, nachdem sich die Saudis nicht über die Einreiseformalitäten für Pilger einigen konnten. Erstmals seit Jahren kamen so keine iranischen Pilger nach Mekka, was in der mulimischen Welt Unverständnis auslöste, weil der Hadsch immer auch ein Fest der Begegnung sein sollte, ungeachtet der Konfession der Gläubigen. Im Juni dieses Jahres reichten katarische Bürger Beschwerde bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen ein, nachdem saudische Beamte ihnen das Betreten der Al-Haram-Moschee in Mekka verweigert haben sollen. Die Kommission verurteilte das Verhalten der Saudis als eklatante Verletzung des Rechts auf freie Religionsausübung, im Juli klagte dann die Regierung Katars beim UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit.

Als Erfolg kann die Politik Riads gegenüber Katar somit kaum gelten. Am 5. Juni belegte Saudi-Arabien das Emirat wegen angeblicher Terrorunterstützung und zu engen Banden zu Iran gemeinsam mit Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain mit einer Blockade. Die Beziehungen sollen erst wieder normalisiert werden, wenn Katar einen 13 Punkte umfassenden Katalog mit Forderungen erfülle, darunter die Schließung des Nachrichtennetzwerks Al Jazeera. Bisher ging das Emirat jedoch auf keine der Forderungen ein.

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