Katalonien:Zurück auf Los

Katalonien: Der abgesetzte Regionalpräsident Carles Puigdemont befindet sich im Exil - strebt aber laut seinen Beratern eine neue Amtszeit an. Seine Reden sollen per Skype übertragen werden.

Der abgesetzte Regionalpräsident Carles Puigdemont befindet sich im Exil - strebt aber laut seinen Beratern eine neue Amtszeit an. Seine Reden sollen per Skype übertragen werden.

(Foto: Pau Berrena/AFP)

Die gescheiterten Separatisten wollen in Katalonien wieder koalieren. Der abgesetzte Regionalpräsident Puigdemont könnte per Skype regieren.

Von Thomas Urban, Madrid

Der im Oktober abgesetzte katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont soll nach dem Willen der Mehrheit der Abgeordneten des künftigen Parlaments in Barcelona in sein Amt zurückkehren. Darauf einigten sich in der Nacht zum Mittwoch die Führungen der Europäisch-Demokratischen Partei (PDeCat) und der Linksrepublikaner (ERC), die bei den Wahlen am 21. Dezember zusammen 66 der 135 Mandate errungen hatten. Beide Gruppierungen, die für eine Abspaltung ihrer Region vom Königreich Spanien eintreten, wollen erneut eine Regierungskoalition bilden. Die neomarxistische Kandidatur für die Volkseinheit (CUP) signalisierte, dass ihre vier Abgeordneten diese Koalition unterstützen würden, ohne ihr beizutreten.

Somit ergäbe sich eine Neuauflage der Machtkonstellation in Barcelona wie in den letzten beiden Jahren. Allerdings hängt die Mehrheit der Sezessionisten von den Stimmen mehrerer neugewählter Abgeordneter ab, deren Teilnahme an den Parlamentssitzungen die spanische Justiz vereiteln will: Puigdemont hat sich Ende Oktober, zwei Tage nach seiner Absetzung wegen "Handelns zum Schaden des spanischen Staates", mit vier Mitgliedern des vom spanischen Premierminister Mariano Rajoy aufgelösten Kabinetts nach Brüssel abgesetzt. Ihnen droht die Festnahme, wenn sie spanischen Boden betreten. Vier führende Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung, darunter der frühere katalanische Wirtschaftsminister Oriol Junqueras (ERC), sitzen in Untersuchungshaft.

Nach Berichten der Madrider Presse setzt die Zentralregierung darauf, dass die prominenten Köpfe der Sezessionisten nicht zugunsten von Nachrückern auf ihre Mandate verzichten werden. In diesem Fall hätten die Gegner einer Abspaltung von Spanien theoretisch eine Mehrheit im Parlament. Allerdings ist kaum damit zu rechnen, dass sich diese auf eine gemeinsame Linie verständigen werden, zu groß sind die ideologischen Unterschiede zwischen der liberalen Bürgerpartei (Ciudadanos/Ciutadans) und dem linksalternativen Bündnis CatComú-Podem, dessen Gallionsfigur Ada Colau die Oberbürgermeisterin von Barcelona ist. Als ausgeschlossen gilt, dass die bisherige liberale Oppositionsführerin Inés Arrimadas, die eine Sezession ablehnt, eine Mehrheit für ihre Kandidatur als neue Regionalpräsidentin bekommt.

Unter Juristen ist umstritten, ob Puigdemont in Abwesenheit zum neuen Regierungschef gewählt werden kann. Die Statuten verlangen lediglich, er müsse den Abgeordneten vor einer Abstimmung sein Programm darlegen. Von seinen Beratern verlautete, er werde dies über eine Videoschaltung tun. Puigdemont hatte sich auch per Skype mit einer Neujahrsansprache an die Katalanen gewandt und sich dabei, vor einer katalanischen und einer Europa-Fahne stehend, erneut als "rechtmäßig amtierenden Präsidenten" bezeichnet. In seiner Ansprache forderte er die sofortige Freilassung der "politischen Gefangenen".

Katalanische Medien verbreiteten die Begründung der spanischen Justiz für die Ablehnung des Antrags Junqueras und seiner Mitstreiter auf Beendigung der Untersuchungshaft. Ihnen wirft die Generalstaatsanwaltschaft Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Mittel vor. Allerdings definiert das spanische Strafrecht Rebellion als gewaltsame Erhebung, wovon im konkreten Fall nicht die Rede sein kann. Junqueras wird vorgeworfen, dass während des vom Verfassungsgericht verbotenen Referendums über die Unabhängigkeit am 1. Oktober manche Wahllokale von Bürgern blockiert wurden, um die Polizei an der Beschlagnahme von Stimmzetteln zu hindern. Bilder von prügelnden Polizisten gingen damals um die Welt.

Am Vorabend der Vereinbarungen über eine neue Regierungskoalition erklärte der frühere Regionalpräsident Artur Mas seinen Rücktritt vom Vorsitz der PDeCat, der auch Puigdemont angehört. Mas galt bislang als dessen Förderer, hatte aber die Proklamation der Unabhängigkeit durch Puigdemont als schlecht vorbereitet kritisiert. Nun sagte er, dass die zusammen 47 Prozent der Stimmen der drei sezessionistischen Parteien nicht ausreichten, um derzeit das Unabhängigkeitsprojekt zu realisieren.

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