Süddeutsche Zeitung

Katalonien-Krise:Spanien zieht europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont zurück

  • Spanien zieht den europäischen und den internationalen Haftbefehl gegen den abgesetzten katalanischen Regionalpräsidenten und vier seiner Mitstreiter zurück.
  • Der spanische Haftbefehl wird aber aufrechterhalten.
  • Die fünf Politiker haben in Belgien Zuflucht gesucht. Ein dortiges Gericht wollte am 14. Dezember über ihre Auslieferung an Spanien entscheiden.
  • Hätte das belgische Gericht nicht im Sinne der spanischen Justiz entschieden, hätte dies zu juristischen Verwicklungen führen können.

Das Oberste Gericht Spaniens hat den europäischen und den internationalen Haftbefehl gegen den entmachteten katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont aufgehoben. Die Entscheidung gilt ebenso für vier seiner früheren Kabinettsmitglieder, die sich wie Puigdemont nach Belgien abgesetzt hatten.

Zur Begründung teilte das Gericht spanischen Medien zufolge mit, dass die fünf Politiker durch ihre Absicht, sich als Kandidaten an der Wahl in Katalonien am 21. Dezember zu beteiligen, ihre Bereitschaft gezeigt hätten, nach Spanien zurückzukehren. Außerdem werde mit der Entscheidung verhindert, dass sich mehrere europäische Gerichte mit der Angelegenheit befassen. Die nationalen Haftbefehle auf spanischer Ebene bleiben jedoch bestehen. Puigdemont werde deshalb auch "für den Moment" in Belgien bleiben, wie sein Anwalt Paul Bekaert dem flämischen Sender VTM sagte.

Gegen die fünf Katalanen wird wegen Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Mittel ermittelt. Auslöser war die von der spanischen Justiz als verfassungswidrig eingestufte Unabhängigkeitserklärung im katalanischen Parlament Ende Oktober. Die Vorwürfe könnten jahrzehntelange Haftstrafen zur Folge haben.

Die spanische Zentralregierung hatte die Regionalregierung in Barcelona nach der Unabhängigkeitserklärung entmachtet. Puigdemont und seine Mitstreiter hatten sich daraufhin nach Belgien abgesetzt. Ende Oktober war gegen die entmachteten Politiker ein spanischer, wenige Tage später auch ein europäischer Haftbefehl erlassen worden.

Puigdemont führt die Kampagne seines Bündnisses Junts per Catalunya (Gemeinsam für Katalonien) bei der Regionalwahl am 21. Dezember an. Auch die anderen Politiker kandidieren bei der Wahl. Ob sie dafür allerdings tatsächlich nach Spanien einreisen müssen, wie es das Oberste Gericht in seiner Begründung für die Rücknahme des europäischen Haftbefehls anführt, ist unter Juristen umstritten.

Heikler Anklagepunkt "Rebellion"

Beobachter halten es auch für möglich, dass die spanischen Behörden den europäischen Haftbefehl zurückgezogen haben, weil sie befürchten mussten, dass die belgische Justiz ihrem Auslieferungsersuchen nicht stattgeben wird. Die spanische Justiz stünde dann quasi blamiert da - die Aufrechterhaltung des spanischen Haftbefehls wäre womöglich schwierig.

Umstritten ist vor allem, ob der Hauptanklagepunkt der "Rebellion" Bestand gehabt hätte. Im spanischen Strafrecht ist dieser mit gewaltsamen Aktionen und einem Aufruf zur Gewalt definiert, was den fünf Politikern wohl nicht nachgewiesen werden kann. Im belgischen Strafrecht gibt es diesen Anklagepunkt hingegen nicht in gleicher Weise.

Möglich wäre der spanischen Zeitung El País zufolge daher auch gewesen, dass das belgische Gericht den Anklagepunkt der Rebellion zurückgewiesen, Puigdemont und seine früheren Kabinettsmitglieder aber trotzdem an Spanien ausgeliefert hätte - aber nur wegen der anderen, weniger relevanten Anklagepunkte. In diesem Fall hätte die spanische Justiz die Katalanen aber auch nur noch in diesen Punkten belangen können - und nicht mehr wegen Rebellion.

Das hätte überdies zu der paradoxen Situation geführt, dass die Politiker, die sich nach Belgien abgesetzt hatten, womöglich in einer juristisch günstigeren Position gewesen wären als die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter, die in Spanien in U-Haft genommen worden waren. Sechs von ihnen wurden am Montag gegen Kaution entlassen, vier sitzen immer noch in Madrid in Haft.

Die belgischen Justizbehörden hatten am Montag mitgeteilt, dass sie am 14. Dezember darüber entscheiden wollten, ob Puigdemont und seine Mitstreiter an Spanien ausgeliefert werden. Diese Entscheidung müssen sie nun nicht mehr treffen.

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