Katalonien:Kataloniens Regierungschef verzichtet auf Unabhängigkeitserklärung

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Unabhängigkeit ja - aber später: Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont (Foto: Getty Images)
  • Kataloniens Regierungschef bekräftigt vor dem Regionalparlament in Barcelona sein Ziel, die Region von Spanien abzuspalten. "Die Urnen sagen Ja zur Unabhängigkeit - und diesen Weg möchte ich gehen."
  • Er kündigt jedoch an, zuvor mit der Zentralregierung in Madrid in einen Dialog treten zu wollen - und bittet daher das Parlament um eine Aussetzung der Erklärung.
  • Zuvor wirbt er für die Position der Katalanen: "Wir sind keine Verbrecher, wir sind nicht verrückt, wir sind keine Putschisten."

Bei seiner mit Spannung erwarteten Rede im Parlament in Barcelona hat der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont davon abgesehen, unmittelbar die Unabhängigkeit der Region auszurufen. Er hielt am grundsätzlichen Ziel eines unabhängigen Staates fest, sagte jedoch, zuvor wolle er mit Spanien in einen Dialog treten.

Puigdemont untermauerte in seiner Rede die Bestrebungen zur Unabhängigkeit der Region, rief sie allerdings noch nicht explizit aus. "Die Urnen sagen Ja zur Unabhängigkeit - und diesen Weg möchte ich gehen", sagte er mit Blick auf das vom Verfassungsgericht als illegal erklärte Referendum vom 1. Oktober. Dabei hatten sich 90 Prozent der Wählenden für die Unabhängigkeit ausgesprochen. Die Wahlbeteiligung lag jedoch nur bei 42 Prozent.

Sein Ziel sei, dass Katalonien ein unabhängiger Staat in Form einer Republik werde, sagte Puigdemont. Er bat jedoch das parlament in Barcelona, die Abstimmung über die Unabhängigkeit zunächst auszusetzen, um in Gespräche mit der spanischen Regierung treten zu können.

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Von Thomas Urban

In seiner Rede warb Puigdemont zunächst für die Position der separatistischen Katalanen. Versuche, auf verfassungsgemäßem Wege über ein erweitertes Autonomiestatut mehr Rechte zu erlangen, seien an Madrid und dem Votum des Verfassungsgerichts gescheitert - obwohl diese Änderungen im katalanischen Parlament mit großer Mehrheit angenommen worden waren.

Die spanische Regierung habe sich jedwedem Dialog verweigert - und auch dem Wunsch einer großen Mehrheit der Katalanen, in einem mit Madrid abgestimmten Referendum über ihre Unabhängigkeit abstimmen zu dürfen. "Wir sind keine Verbrecher, wir sind nicht verrückt, wir sind keine Putschisten. Wir sind normale Menschen, die darum bitten, wählen zu können", sagte Puigdemont.

Den Vorwurf der spanischen Zentralregierung, gegen die 1978 auch von Katalonien mitgetragene Verfassung zu verstoßen, konterte Puigdemont: Diese Verfassung sei ein demokratischer Rahmen, aber es gebe auch Demokratie über diesen Rahmen hinaus.

Druck auf Puigdemont vor der Rede

Die Zentralregierung in Madrid hatte den katalanischen Regierungschef vor seiner Rede eindringlich vor dem Ausrufen der Unabhängigkeit gewarnt. "Ich möchte Herrn Puigdemont bitten, nichts Unumkehrbares zu tun, keinen Weg einzuschlagen, von dem es kein Zurück gibt, keine einseitige Unabhängigkeitserklärung zu verkünden und zur Legalität zurückkehren", sagte Regierungssprecher Íñigo Méndez de Vigo in Madrid.

Der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos rief die Regierung in Barcelona ebenfalls auf, von einer Unabhängigkeitserklärung abzusehen. Er hoffe, dass am Ende die Vernunft siegen werde, sagte er vor einem Treffen der Wirtschafts- und Finanzminister in Brüssel. Er beschuldigte die Regierung Puigdemont, mit radikaler und verantwortungsloser Politik zum derzeitigen Chaos beigetragen zu haben. Er sprach von einem "Aufstand gegen die Rechtsstaatlichkeit".

Warnende Stimme aus Brüssel

Auch aus Brüssel kam eine warnende Stimme: EU-Ratspräsident Donald Tusk appellierte an Katalonien, sich nicht von Spanien loszusagen. "Ich bitte Sie, die verfassungsmäßige Ordnung zu respektieren und nicht eine Entscheidung bekannt zu geben, die einen (...) Dialog unmöglich machen würde", sagte er direkt an Puigdemont gewandt. Eine solche Ankündigung hätte nicht nur schlimme Folgen für Katalonien und Spanien, sondern auch für Europa.

Tusk betonte, er habe sich bereits vor Tagen an den spanischen Regierungschef Mariano Rajoy gewandt, ihn zum Dialog aufgefordert und von Gewalt abgeraten.

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy lehnt dies aber entschieden ab. Die Regierung in Madrid verweist auf die Verfassung von 1978, die auch mit den Stimmen Kataloniens verabschiedet worden war und auf den weitgehenden Autonomiestatus der Region. Die unnachgiebige Haltung, mit der der spanische Ministerpräsident den Konflikt behandelt, wird vor allem im Ausland häufig als kontraproduktiv gesehen.

© SZ.de/AFP/AFP/dpa/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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