Süddeutsche Zeitung

Katalonien-Konflikt:Puigdemont muss nicht nach Spanien

Ein Gericht auf Sardinien hat verfügt, dass für eine Auslieferung des früheren katalanischen Regierungschefs die legale Basis fehlt. Der Politiker erhob seinerseits schwere Vorwürfe gegen Madrid.

Von Oliver Meiler, Rom

Italien verzichtet darauf, den früheren katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont an Spanien auszuliefern. Ein Berufungsgericht im sardischen Sassari hat beschlossen, das Auslieferungsprozedere abzubrechen, es fehle dafür die legale Basis. Madrid will Puigdemont und anderen katalanischen Separatisten den Prozess machen, weil sie im Herbst 2017 ein Referendum zu einer politischen Unabhängigkeit der wirtschaftsstarken Region im Nordosten des Landes durchgeführt hatten. Der Vorwurf lautet auf Rebellion gegen den spanischen Staat und Veruntreuung öffentlichen Geldes für die Organisation der angeblich verfassungswidrigen Volksabstimmung.

Puigdemont und zwei seiner früheren Regierungsmitglieder, die wie er im selbst gewählten Exil leben, waren bei der Gerichtsverhandlung in Sassari anwesend. Bei ihrer Ankunft wurden sie von Chören sardischer Unabhängigkeitskämpfer empfangen: "Libertà, libertà", intonierten sie. Freiheit, Freiheit. Puigdemont war am 24. September aus Belgien, wo er wohnt, nach Sardinien gereist, um in Alghero an einem katalanischen Kulturfestival teilzunehmen. Kaum gelandet, nahm ihn die italienische Polizei fest, stützte sich dabei auf einen europäischen Haftbefehl und brachte ihn ins Gefängnis.

Puigdemont verbrachte eine Nacht in der Zelle, wurde dann einer Berufungsrichterin präsentiert, die seine sofortige Freilassung anordnete und den Termin für ein Verfahren festlegte. Puigdemont nahm am Kulturfestival teil und wurde dabei von sardischen Aktivisten gefeiert: Für seinen Mut gilt er ihnen als Vorbild. Danach verließ Puigdemont die Insel, versprach aber, dass er für die Verhandlung zurückkehren würde. Er ist überzeugt, dass er als Europaparlamentarier politische Immunität genießt. Diese Immunität wurde zwar neulich aufgehoben, doch es läuft ein Berufungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof.

In einem Interview in der Zeitung La Stampa sagte Puigdemont vor einigen Tagen, Madrid verfolge ihn mit allen Mitteln: "Nachdem Spanien mit seinem Auslieferungsgesuch schon in Deutschland, Belgien, der Schweiz und Schottland gescheitert war, versuchte man es nun auch noch mit Italien." Spanien kontrolliere seit einer Weile "mein Leben und meine Daten". "Ich habe Beweise dafür, dass ich Opfer von politischer Spionage bin", sagte er. Und da er Europaparlamentarier sei, sei das ein schwerwiegendes Verbrechen. Spanien führe sich im Umgang mit ihm wie ein totalitärer Staat auf.

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