Indien und Pakistan:Tiefe Gräben in der Kaschmir-Krise

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In der Regionalhauptstadt Srinagar patroullieren paramilitärische Soldaten während einer Ausgangssperre. In den vergangenen Tagen sind in Kaschmir Aktivisten zufolge Hunderte Lokalpolitiker, Separatistenführer und deren Helfer festgesetzt worden. (Foto: dpa)
  • Mit der Lage in der umstrittenen Region Kaschmir wird sich denächst der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen befassen.
  • Das gilt als diplomatischer Erfolg für den pakistanischen Premier Khan.
  • Indien, das der Region die Autonomierechte genommen hat, wehrt sich gegen eine Internationalisierung des Konflikts.

Von Arne Perras, Singapur

Nur wenig sickert durch über die bittere Lage im indisch-kontrollierten Teil von Kaschmir, die Sicherheitskräfte haben das Gebiet weitgehend abgeschottet, die Mobilfunknetze abgeschaltet und Ausgangssperren verhängt. So sollen Unruhen im Keim erstickt werden. Doch dies erwies sich schon in früheren Jahren als schwierig, wenn Wut, Zorn und Verzweiflung hochkochten im westlichen Himalaja. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch jetzt aus den wenigen Berichten, die trotz der Beschränkungen aus dem Krisengebiet durchsickern. Ein Reporter der Agentur AFP wurde am Freitag Zeuge von Zusammenstößen zwischen Hunderten aufgebrachten Kaschmiris und indischen Sicherheitskräften. Die Protestierenden warfen mit Steinen und trugen Wellblech wie Schilde vor sich her, um sich gegen Gummigeschosse der paramilitärischen Polizei zu schützen, auch Tränengas kam demnach zum Einsatz.

Die Zeitung The Indian Express berichtete über einen Brief, den Iltija Mufti, Tochter der früheren Ministerpräsidentin von Kaschmir, an den indischen Innenminister Amit Shah geschrieben hat. Die junge Frau berichtet, sie sei festgenommen worden, nachdem sie mit Reportern gesprochen hatte, zudem äußerte sie Angst um das Wohl ihrer Eltern, die ebenfalls verhaftet sind: "Bei allem Respekt, ich verstehe nicht, warum ich dafür bestraft werde, für die Kaschmirer zu sprechen, deren Stimmen erstickt werden. Ist es ein Verbrechen, den Schmerz, die Qualen und die Entwürdigung auszudrücken, der wir ausgesetzt sind?" Dies ist kein Einzelfall. Nahezu alle politischen Führer in Kaschmir sitzen inzwischen in Haft, selbst jene, die früher mit Delhi kooperierten.

Der Staat kann sich in Kaschmir auf ein drakonisches Sicherheitsgesetz stützen. Seit zwölf Tagen hält Indien die Täler noch eiserner im Griff als in früheren Zeiten, und das hat einen Grund: Am 5. August hatte die hindu-nationalistische Regierung in Delhi mit einem Streich der Region Kaschmir die in der Verfassung verankerte Autonomie entzogen, sie will den indisch kontrollierten Teil radikal neu ordnen. Damit löst sie ein Wahlversprechen ein, der Schritt ist bei vielen Indern populär, im überwiegend muslimisch bevölkerten Kaschmir aber dürfte das Vorgehen die Wut und Angst derer noch steigern, die Indien schon seit Jahren als eine arrogante Besatzungsmacht betrachten.

Der jüngste Vorstoß Indiens belastet die Beziehungen zu Pakistan erheblich. Beide Seiten streiten seit der Unabhängigkeit um die Berge von Kaschmir. Delhi und Islamabad kontrollieren jeweils nur einen Teil des strategisch wichtigen Gebietes, wobei die Pakistaner gerne den Schutzpatron für die muslimische Bevölkerung geben und Delhi vorwerfen, Indien würde das Selbstbestimmungsrecht der Kaschmirer unterdrücken.

Pakistans Premier Imran Khan ist seit Tagen über das Vorgehen Indiens in Rage. Nun hat er durchgesetzt, was Indien gerne vermieden hätte: Am Freitag wurden auf Drängen Pakistans, unterstützt von China, Beratungen im UN-Sicherheitsrat angesetzt. Sie werden die Krise kaum entschärfen, markieren aber einen diplomatischen Erfolg für Khan, der den jüngsten Vorstoß Indiens global anprangern will.

Auch US-Präsident Donald Trump sicherte in einem Telefonat Khan zu, mit Indiens Premier Narendra Modi über einen Abbau der Spannungen zu sprechen.

Modi versprach derweil eine ruhmreiche Zukunft für das Berggebiet. Nepotismus und Korruption würden verschwinden. Wenige Tage zuvor hatte Innenminister Amit Shah sogar behauptet, mit dem Entzug der Autonomie werde der Terror besiegt. Wie das gehen soll, hat er nicht erklärt. Klar ist nur: Indiens Frust über die zunehmende Radikalisierung in Kaschmir ist gewaltig. Delhi macht dafür Islamabad verantwortlich, es betrachtet Pakistan als Paten des Terrors.

© SZ vom 17.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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