Karsai bleibt Präsident: Reaktionen:"An der Seite der Afghanen"

Die afghanische Wahlkommission hat die Stichwahl um die Präsidentschaft abgesagt und Karsai zum Wahlsieger erklärt. Bundesaußenminister Westerwelle gratulierte ihm - und stellte Forderungen.

Die Unabhängige Wahlkommission (IEC) in Afghanistan hat Amtsinhaber Hamid Karsai zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt. Die Kommission sagte die für Samstag geplante Stichwahl ab, nachdem Oppositionsführer Abdullah Abdullah seine Kandidatur zurückgezogen hatte.

Afghanistan, Abdullah, Karsai, dpa

Afghanistans Präsident Hamid Karsai mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.

(Foto: Foto: dpa)

"Wir erklären Hamid Karsai, der die Mehrheit der Stimmen im ersten Wahlgang erreicht hat und alleiniger Kandidat im zweiten Wahlgang ist, zum gewählten Präsidenten Afghanistans", sagte der IEC-Vorsitzende Asisullah Lodin in Kabul.

"Präsident aller Afghanen"

Frankreich und Deutschland gratulierten Karsai nach der Absage der Stichwahl zur Bestätigung im Amt. "Wir gehen davon aus, dass diese Entscheidung im Einklang mit der afghanischen Verfassung und dem Wahlgesetz getroffen worden ist", sagte der neue Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) an diesem Montag nach einem Treffen mit dem französischen Ressortchef Bernard Kouchner in Paris.

Zugleich forderten beide Regierungen Karsai zum entschiedenen Kampf für mehr Sicherheit und gegen Korruption auf. Karsai müsse "Präsident aller Afghanen" sein, sagte Westerwelle.

Deutschland sei zu weiterer Zusammenarbeit bereit. "Wir stehen fest an der Seite des afghanischen Volkes." Kouchner sagte, jetzt müsse es in Kabul eine Regierung geben, die von allen Seiten akzeptiert werde. "Nichts ist gewonnen, wenn wir keine Mehrheit der Herzen des afghanischen Volkes gewonnen haben."

Auch die USA, die Vereinten Nationen und die britische Regierung beglückwünschten Karsai. Die US-Botschaft erklärte, die USA gratulierten Karsai "zu seinem Sieg in dieser historischen Wahl". Sie freue sich auf eine Zusammenarbeit mit Karsai, um Reformen zu unterstützen und die Sicherheitslage zu verbessern.

Die Wahl als "Farce"

Die Entscheidung, die Stichwahl abzusagen, bewertet Conrad Schetter, Afghanistan-Experte vom Zentrum für Entwicklungsforschung in Bonn, als "konsequent". "Sie wäre nur eine Farce gewesen."

Dass Karsai nun zum Sieger der Wahl erklärt wurde, hält er jedoch für schwierig. Im Gespräch mit sueddeutsche.de erklärt er: "Das erste Problem ist, dass Afghanistan mit Hamid Karsai einen Präsidenten hat, der aus Wahlen hervorgegangen ist, die als gefälscht anzusehen sind." Er verfüge über keine Legitimierung und werde auch von seinen westlichen Partnern kaum noch geschätzt. "Karsai ist geschwächt aus dem ganzen Prozess hervorgegangen", sagt der Wissenschaftler.

Schetter sieht ein weiteres Problem: "Das Projekt Demokratie in Afghanistan droht zu scheitern. Wenn es nicht sogar schon gescheitert ist. Das spielt den Taliban in die Hände." Die Taliban hatten bereits die erste Wahlrunde am 20. August massiv mit Anschlägen und Angriffen gestört.

Henning Riecke, Wissenschaftler bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sagte zu sueddeutsche.de: "Nun kommt es darauf an, dass Karsai seine Legitimität durch solide, transparente Politik wiederherstellt. Er muss den Afghanen Sicherheit und wirtschaftliche Perspektiven liefern und sich von Korruption und Vetternwirtschaft verabschieden."

Im Video: Der Pressesprecher des Amtsinhabers Karsai bedauert die Entscheidung Abdullahs, nicht zur Stichwahl am kommenden Samstag anzutreten. Bundesaußenminister Guido Westerwelle mahnt unterdessen zu Besonnenheit.

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Die IEC hatte sich nach dem Rückzug des Oppositionskandidaten Abdullah Abdullah am Sonntag mit Verfassungsjuristen beraten. Die Wahl wurde wenige Stunden nach dem überraschenden Eintreffen von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Kabul abgesagt, der sich sowohl mit Präsident Hamid Karsai als auch mit Abdullah treffen wollte. Am Sonntag hatte das Gremium noch erklärt, an der Wahl festhalten zu wollen.

Herausforderer Abdullah hatte sich am Sonntag aus Protest gegen die seiner Meinung nach unfairen Bedingungen von der geplanten Stichwahl gegen den Amtsinhaber zurückgezogen. Nach Abdullahs Rückzug hatte Karsai zunächst angekündigt, als einziger Kandidat bei der Stichwahl anzutreten.

Die internationale Gemeinschaft war dem Vernehmen nach strikt gegen eine Stichwahl mit Karsai als einzigem Kandidaten. Ein westlicher Diplomat, der ungenannt bleiben wollte, sagte, es wäre "lächerlich", für eine Wahl mit klarem Ausgang Geld auszugeben und Leben zu riskieren.

Rückzug eines Kandidaten nicht vorgesehen

Die afghanische Verfassung sieht weder den Rückzug eines Kandidaten noch eine Absage der Stichwahl vor. Artikel 61 bestimmt, dass der Präsident im ersten Wahlgang mit mehr als 50 Prozent der Stimmen gewählt werden muss, was Karsai nicht gelungen war. Damit wurde die Stichwahl zwischen ihm und dem Zweitplatzierten Abdullah notwendig. Nach offiziellen Angaben waren bereits rund 15 Millionen Wahlzettel für die Stichwahl zwischen Karsai und Abdullah gedruckt worden. Nach Abdullahs Rückzug war eine extrem geringe Wahlbeteiligung befürchtet worden.

Der Herausforderer selbst konnte auch wenig optimistisch auf die Stichwahl blicken. Bei der Stichwahl waren ihm wenig Chancen eingeräumt worden. Nach dem um gefälschte Stimmen bereinigten Endergebnis der August-Wahl hatte der Ex-Außenminister in der ersten Runde fast 20 Prozentpunkte hinter Karsai gelegen. Der Amtsinhaber hatte die absolute Mehrheit mit 49,67 Prozent der Stimmen knapp verfehlt.

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