Karlsruhe:Bundesrichter verurteilen sittenwidrige Eheverträge

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Wenn ein Ehevertrag einen Partner über Gebühr einseitig belastet, ist er sittenwidrig und damit unwirksam. Das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) setzt dem völligen Ausschluss von Unterhaltszahlungen und Altersvorsorge enge Grenzen. Familienrichter erwarten eine Flut von Klagen.

Notarielle Eheverträge können bei einer gravierenden Benachteiligung eines Partners angefochten oder korrigiert werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil entschieden.

Die Gültigkeit eines Ehevertrages muss dem Karlsruher Urteilsspruch zufolge künftig in zwei Stufen überprüft werden: zum einen nach den Lebensverhältnissen bei Vertragsabschluss und zum anderen nach den Bedingungen bei der Scheidung. Auch wenn der Vertrag bei Abschluss nicht sittenwidrig war, kann er durch Veränderungen innerhalb der Ehe anfechtbar geworden sein. Er muss dann von den Gerichten angepasst werden.

Offenkundige Einseitigkeit ist sittenwidrig

Das Karlsruher Gericht erklärte es zwar prinzipiell für zulässig, dass die Ehegatten vertraglich zum Beispiel auf nachehelichen Unterhalt oder Zugewinnausgleich verzichten. Ist die Vereinbarung aber offenkundig einseitig, kann sie sittenwidrig und damit unwirksam sein. "Ein bloßes Einkommensgefälle reicht hier aber nicht aus", sagte die Senatsvorsitzende Meo-Micaela Hahne bei der Urteilsverkündung.

Ähnliches gilt laut BGH auch dann, wenn sich erst im Verlauf der Ehe ein erhebliches Ungleichgewicht ergibt, etwa, weil das Einkommen des Mannes drastisch steigt, während die Frau sich überwiegend auf die Kindesbetreuung zurückzieht. Hier können die Gerichte nachträglich eine ausgewogene Anpassung des Vertrags vornehmen.

Präzedenzfall aus Augsburg

In dem entschiedenen Fall ging es um einen Unternehmensberater und seine Frau aus Augsburg, die rund drei Jahre nach der Heirat 1985 einen Ehevertrag geschlossen hatten. Darin waren gegenseitige Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt - ausgenommen war der Unterhalt für die Kindesbetreuung - sowie der Ausgleich des während der Ehe erzielten Zugewinns und der Altersversorgung ausgeschlossen.

Nach der Scheidung im Jahr 2001 wollte der Mann nur etwa 1300 Euro zahlen - obwohl sein Nettoeinkommen auf rund 14 000 Euro im Monat gestiegen war. Die Frau, die früher als Archäologin tätig war, betreut beide Kinder und verdient in einem Spielzeugladen Geld dazu.

Das Oberlandesgericht (OLG) München hielt den Vertrag für unwirksam und sprach ihr gut 3800 Euro zu. Dieses Urteil hat der BGH nun aufgehoben. Jetzt muss das OLG prüfen, ob der vom Ehemann zugestandene Betrag nach oben korrigiert werden muss.

Benachteiligung bei Doppelverdiener-Ehe unwahrscheinlich

Grundsätzlich gilt, dass eine völlig einseitige Benachteiligung eines Partners dann anzunehmen ist, wenn er in einer Einverdiener-Ehe die Kinderbetreuung übernommen hat und der Ehevertrag für den Scheidungsfall den Ausschluss von Unterhalt und Altersversorgung bestimmt. In einer Doppelverdiener-Ehe, in der sich beide Partner an der Kindesbetreuung beteiligen, wird ein solcher Ehevertrag dagegen in der Regel gültig sein.

Der BGH stellte folgende Regel auf: Je mehr ein Ehevertrag den "Kernbereich" der gesetzlich vorgesehenen Scheidungsfolgen abändert - das sind vor allem Unterhaltsansprüche für die Kindesbetreuung oder wegen Alter und Krankheit -, desto strenger ist die richterliche Kontrolle. Dagegen wird der Betroffene eine vertraglich vereinbarte Gütertrennung, also den Ausschluss des Zugewinnausgleichs, nur ausnahmsweise nachträglich kippen können.

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