Klaus Iohannis gilt als ein eher unterkühlter Typ. Rumäniens Staatspräsident ist ein hochgewachsener Mann, der meist etwas kantig daherkommt - und dessen mächtiger Kopf gern abstrakt denkt. So wie am Samstagmittag unter dem hohen, bald 700 Jahre alten Deckengewölbe des Krönungssaals des Aachener Rathauses: Von fast jeder der 21 Seiten seines Redemanuskripts liest der diesjährige Karlspreis-Träger Prinzipien ab, die für ihn Europa ausmachen: Demokratie und Rechtsstaat, Marktwirtschaft und Menschenrechte, Einheit und Solidarität.
Aber Iohannis kann auch anders. Etwa, als ihm beim Festakt Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen die goldene Medaille umhängt. Oder als Ex-OB Jürgen Linden den gebürtigen Siebenbürger Sachsen als "einen Brückenbauer zwischen Ost und West" würdigt. Da strahlt dieser 62-jährige Kaltblüter wie ein kleiner Junge, sein Gesicht leuchtet im Scheinwerferlicht: "Danke!"

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Iohannis redete auf Deutsch. Und er nutzt sein sprödes Referat über "ein solides und nachhaltiges Gebilde" namens EU durchaus für manche Stichelei. So beklagt der Rumäne, dass die Bürger seines Landes - obwohl seit zehn Jahren doch "ein De-facto-Mitglied des Schengen-Raums" - noch immer bei der Einreise in andere EU-Staaten kontrolliert würden. Und Iohannis warnt vor einem Europa der zwei Klassen: "Die wahre Kraft der Union", sagt er seinen deutschen Gastgebern, sei "nicht durch konzentrische Kreise oder unterschiedliche Geschwindigkeiten gegeben".
Iohannis steht für den guten Ost-EU-Europäer
Dafür erntet Iohannis Beifall, wenn auch nicht von allen. Zehn Meter rechts von ihm sitzt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der schon anno 1994 ein "Kerneuropa" empfahl, um die EU voranzubringen. Der CDU-Politiker rührt keine Hand, schaut griesgrämig zur Seite.
Das Aachener Karlspreis-Direktorium wollte mit Iohannis den guten Ost-EU-Europäer ehren. Einen, der anders als Polens starker Mann Jarosław Kaczyński oder Ungarns Regierungschef Viktor Orbán eben stur Prinzipien verteidigt: Rechtsstaat, Demokratie, Menschenrechte. Zur Laudatio beim abendlichen Dinner war extra die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová nach Aachen gereist, als frühere Umweltaktivistin ebenfalls europa- und prinzipienfest: "Unsere Gesellschaften müssen intolerant sein gegenüber Intoleranz," sagte sie.
Im Streit mit dem Rechtspopulisten Orbán hatte sich Iohannis im Frühjahr vorigen Jahres zu einer Polemik hinreißen lassen, die von der ungarischen Minderheit in Rumänien als beleidigend empfunden wurde. Sogar Rumäniens Antidiskriminierungsrat hatte den Staatspräsidenten gerüffelt. An diesem Aachener Samstag war das zwar vergessen, aber am Vortag, bei einer Tagung des "Karlpreis-Forums," blitzte der Konflikt kurz auf. Gefragt nach einem EU-gerechten Umgang mit Orbán, lächelte Iohannis nur. So einen gäbe es doch in jeder Familie, so einen "Cousin, der alle fünf Minuten ins Fettnäpfchen tritt". Da müsse man dann "Tacheles reden", aber: "Ich halte nichts von Hinausschmeißen."
Laschet sondiert fern von daheim
Einer übrigens war gar nicht erst gekommen zum Aachener Festakt. Nordrhein-Westfalens Armin Laschet, langjähriges Mitglied des Karlspreis-Direktoriums, hatte kurzfristig abgesagt. Der CDU-Chef stellte andere Termine über Europa: Am Freitagabend hatte der Aachener mit vielen Unionsgrößen in München den 80. Geburtstag von Bayerns ehemaligem Regierungschef Edmund Stoiber gefeiert. Am Samstag reiste Laschet nach Halle, zur Feier der deutschen Einheit mit Noch-Kanzlerin Angela Merkel. Aus Aachener Sicht könnte man sagen: Laschet sondiert fern von daheim, um seine paneuropäische Kaiserstadt doch noch irgendwie zur Kanzlerstadt zu krönen. Der Karlspreis wäre ihm dann wohl sicher.