Karlheinz Schreiber:Bestechung, Untreue und Betrug

Der Angeklagte Schreiber gibt Rätsel auf: Neun Jahre haben die Akten auf den Hauptangeklagten gewartet. Doch ob er veruteilt wird, ist ungewiss.

Hans Leyendecker

Die Anklage umfasst 165 Seiten - einschließlich vieler Tabellen und komplizierter Erörterungen. Selbst Fachleute benötigen heute eine Weile, um die Details noch einmal nachvollziehen zu können, denn die Anklage ist alt: Sie stammt aus den Märztagen des Jahres 2000.

Karlheinz Schreiber: Karlheinz Schreiber: Die Liste der Anklagepunkte ist lang.

Karlheinz Schreiber: Die Liste der Anklagepunkte ist lang.

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Vor gut neun Jahren war das Papier noch topsecret. Ein Vorsitzender Richter des Landgerichts Augsburg ließ damals das Dokument und 9000 Blatt Anlagen kopieren und die Originale in ein Versteck bringen. Die Anklage war hochbrisant: Sie richtete sich gegen den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber, die ehemaligen Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert sowie gegen den früheren CDU-Bundesschatzmeister Walther Leisler Kiep. Das waren damals Namen für die Spitzenmeldung der Tagesschau.

Neun Jahre haben die Akten auf den Hauptangeklagten Schreiber gewartet, der nach Kanada geflohen war. Eine lange Zeit. Einige der in der Anklage aufgeführten 57 Zeugen sind verstorben. Der Augsburger Staatsanwalt Winfried Maier, der damals das Papier unterschrieb, ist schon lange kein Strafverfolger mehr. Er ist Richter geworden.

Diese Anklage aus der alten Zeit wird die Grundlage für den Prozess gegen Schreiber sein, der vermutlich irgendwann im Spätherbst beginnen wird. Immer noch geht es im Fall Schreiber um den Vorwurf der Steuerhinterziehung, der Bestechung und der Beihilfe zu Untreue und Betrug. Mit Hilfe von getarnten Konten soll er die "Landschaft gepflegt" haben. Aber dennoch liest sich das Dokument anders als in den alten Tagen. Inzwischen haben sich mehrere Strafkammern und auch der Bundesgerichtshof (BGH) mit den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft beschäftigt, und es gibt neue Fragen.

Die Schwierigkeiten beginnen schon mit dem einstigen Angeklagten Kiep: In der Anklage wurde ihm vorgeworfen, Beihilfe zur Steuerhinterziehung von umgerechnet 500.000 Euro geleistet zu haben. Schreiber hatte dem Kassenwart der CDU das Geld für die Partei bar übergeben. Das Augsburger Gericht ließ diesen Anklagevorwurf nicht zu. Kiep wurde dann 2001 wegen Hinterziehung von umgerechnet nur 4350 Euro Einkommensteuer zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die Prozesse gegen die zwei Thyssen-Manager, die dann später stattfanden, beschäftigten mehr als ein Jahrzehnt die Gerichte. Beide, Maßmann und Haastert, wurden zunächst vom Landgericht Augsburg zu Haftstrafen wegen Untreue und Steuerhinterziehung verurteilt; doch der Bundesgerichtshof hob die Urteile weitgehend auf und reduzierte das Strafmaß erheblich. Der 5. Strafsenat des BGH watschte die Richter ab, weil Zuwendungen von Schreiber "nicht rechtsfehlerfrei belegt" worden waren.

Die Urteile sind inzwischen zwar rechtskräftig, aber Maßmann ist gegen sein letztes Urteil (zwei Jahre Haft) vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Und seine Chancen sollen angeblich nicht schlecht sein, zu obsiegen.

Deutlicher noch wurden die juristischen Probleme im Fall des Max Strauß, der wegen angeblicher Millionensummen von Schreiber in erster Instanz zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden war. Der BGH hob das Urteil auf und erklärte, der Angeklagte habe nicht über das von Schreiber eingerichtete und von der Staatsanwaltschaft Max Strauß zugerechnete Konto verfügen können. Die vorgelegten Kontoauszüge ergäben viele Verfügungen durch Schreiber an sich selbst. Strauß wurde in zweiter Instanz freigesprochen.

In nur einem Fall obsiegte die Augsburger Staatsanwaltschaft auf der ganzen Linie. Der frühere Rüstungsstaatsekretär Ludwig-Holger Pfahls, der von Schreiber umgerechnet 1,9 Millionen Euro für Hilfe bei einem Panzergeschäft mit Saudi-Arabien bekam, gab alle Vorwürfe vor Gericht zu. Er bestätigte, dass Schreiber ihn geschmiert habe und erhielt zwei Jahre und drei Monate Haft.

In dem Prozess gegen Schreiber können neue Probleme auftauchen. Wurde das Königshaus in Riad, wie die Ankläger unterstellen, betrogen, weil ein Teil der Kaufsumme für Spürpanzer vom Typ Fuchs angeblich zum Schmieren verwendet wurde? In den bisherigen Prozessen wurde festgestellt, dass ein großer Teil des Geldes nach Saudi-Arabien zurückgeflossen ist. Und wie hoch ist eigentlich der Steuerschaden, den Schreiber angerichtet hat?

Ihm wird vorgeworfen, verschiedene Gesellschaften eingeschaltet zu haben, um den Zufluss aus Provisionsgeschäften zu verschleiern. Aber vieles deutet darauf hin, dass er einen Großteil des verschwiegenen Geldes eingesetzt hat, um ein Millionen-Fiasko bei einem fehlgeschlagenen Russland-Geschäft auszubügeln. Die Verluste hätte er von der Steuer abziehen können. Warum hat er das nicht gemacht? Dieser Angeklagte gibt in vieler Hinsicht Rätsel auf.

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