Kanzlerschaft von Helmut Kohl:16 Jahre, die die Republik veränderten

Beim Regierungsantritt 1982 verkündete Helmut Kohl die "geistig-moralische Wende", doch in Erinnerung blieben andere Ereignisse: die Wiedervereinigung, die Flick-Affäre - und eine krachende Wahlniederlage.

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Helmut Kohl wird 80

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Am 1. Oktober 1982, wurde Helmut Kohl (CDU) zum Bundeskanzler gewählt. Sein Vorgänger Helmut Schmidt (SPD), der per konstruktivem Misstrauensvotum mit Hilfe der FDP aus dem Amt befördert worden war, gratulierte dem frischgebackenen Kanzler.

Helmut Kohl nach seiner Wiederwahl zum Bundeskanzler im Bundestag, 1983

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Kanzler Kohl konnte sich auch bei der vorgezogenen Bundestagswahl 1983 durchsetzen: Die Unionsparteien wurden mit 48,8 Prozent der Stimmen als führende Kraft bestätigt. Kohl nahm seine Wiederwahl als Bundeskanzler am 29. März 1983 an. Mit 5,6 Prozent der Stimmen zogen damals auch die Grünen erstmals in den Bundestag ein. Zwei ihrer Vertreterinnen, Petra Kelly (li.) und Marieluise Beck-Oberdorf (2.v.li.), sind hier zu sehen.

20. Jahrestag des Nato-Doppelbeschlusses

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Die Regierungszeit Kohls war vor allem zu Beginn für viele Menschen geprägt durch die Angst vor einem Atomkrieg. 1983 hatte die Nato Pershing-II-Raketen in Deutschland aufgestellt, da die Verhandlungen mit dem Warschauer Pakt über den Nato-Doppelbeschluss gescheitert waren (den Kohls Vorgänger Schmidt forciert hatte). Auf sowjetischer Seite waren SS-20-Raketen einsatzbereit. Es kam zu großen Demonstrationen wie hier am 22.10.1983 im Bonner Hofgarten.

Helmut Kohl

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Kohl hatte nach seiner Wahl eine "geistig-moralische Wende" angekündigt, was Kritikern später wie Hohn vorkam. Denn SPD, FDP und auch die Union hatten Geld vom Großkonzern Flick angenommen. Im Untersuchungsausschuss (Foto) musste im November 1984 auch Kohl aussagen. Der konnte sich an viele Situationen nicht mehr erinnern - was sein damaliger CDU-Generalsekretär Heiner Geißler mit einem "Blackout" entschuldigte.

Ein umstrittenes Zitat des Kanzlers stammt aus dem Januar des Jahres: In einer Rede vor der Knesset in Israel sprach er von der "Gnade der späten Geburt". Er hatte damit sagen wollen, dass es nicht das moralische Verdienst seiner Generation gewesen sei, an den Verbrechen der Nationalsozialisten unbeteiligt gewesen zu sein. Kritik wurde an der eigentlich bescheidenen Formulierung laut, da sie als mögliche Distanzierung von der historischen Verantwortung der Deutschen verstanden werden konnte.

Francois Mitterrand und Helmut Kohl in Verdun, 1984

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Der Konservative Kohl stand fest zu den westlichen Verbündeten der Bundesrepublik. Noch vorhandene Ressentiments aus Weltkriegszeiten versuchte er auszuräumen - und machte dies mit einer besonderen Geste der Versöhnung deutlich: Am 22. September 1984 reichten sich der französische (und sozialistische) Staatspräsident François Mitterrand (li.) und Kohl über den Gräbern von Verdun die Hand. Dort waren Abertausende deutsche und französische Soldaten im Ersten Weltkrieg gefallen.

Den wohl am häufigsten zitierten Satz des Kanzlers äußerte Kohl laut Spiegel auf einer Pressekonferenz im August 1984: "Entscheidend ist, was hinten rauskommt." In dem Artikel des Nachrichtenmagazins ging es um die Wahlkampfstrategie der Union im Umgang mit der Opposition - insbesondere den neu im Bundestag vertretenden Grünen.

Ronald Reagan und Helmut Kohl auf Soldatenfriedhof in Bitburg, 1985

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1985 besuchte Kohl mit dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan den Soldatenfriedhof in Bitburg - und löste damit eine Kontroverse aus. Denn auf dem Friedhof liegen neben Wehrmachtsangehörigen auch Soldaten der Waffen-SS begraben. Begleitet wurden die beiden Staatsmänner bei der umstrittenen Kranzniederlegung von ihren Ehefrauen, Nancy Reagan und Hannelore Kohl.

Nicht gut kam bei manchen Deutschen an, wie der Kanzler bei einem Besuch der britischen Premierministerin Maggie Thatcher 1986 fröhlich winkend mit einem Leopard-Panzer fuhr. Der Cartoonist Hans Traxler malte Helmut Kohl danach zum ersten Mal als "Birne" - ein Spitzname war geboren.

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Quelle: imago stock&people

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Legendär wurde seit den achtziger Jahren aber auch eine private Eigenheit der Eheleute Kohl: des Kanzlers alljährliche Sommerurlaube mit seiner Frau Hannelore am Wolfgangsee in Österreich. Dort setzte sich der Christdemokrat entsprechend in Szene.

CDU-Bundesparteitag in Bremen 1989

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Ein heftiger Gegenwind wehte Kohl 1989 beim Bremer Parteitag der CDU entgegen. Eine Gruppe interner Gegner und enttäuschter Kohlianer wollte gegen ihn putschen. Kohl gelang es - wenn auch nur mühsam -, sich gegen seine Widersacher Heiner Geißler (li.) und Lothar Späth durchzusetzen.

Kohls Konkurrenten waren bald politisch entmachtet: Geißler verlor seinen Posten als Generalsekretär - und der baden-württembergische Ministerpräsident Späth stolperte über eine publik gewordene Urlaubsreise auf Unternehmenskosten.

Serie Deutsche Einheit - Wahlkampf mit Kohl

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Unmittelbar nach dem abgewehrten Putschversuch ergab sich für Kohl nach einer zuvor eher glücklosen Regierungszeit Gelegenheit, Geschichte zu schreiben. Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Kohl übernahm die Initiative: Mit seinem "Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas" forcierte er den Weg zur deutschen Einheit. Dass andere Akteure wie Außenminister Hans-Dietrich Genscher, der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Oppositionsführer Hans-Jochen Vogel ebenfalls dazu beitrugen, blieb weniger in Erinnerung. Fortan ließ sich Kohl als "Kanzler der Einheit" feiern.

Bundeskanzler Helmut Kohl in Erfurt 1990

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Viele DDR-Bürger sahen Kohl in der Rolle des Heilsbringers. Wie hier in Erfurt im Februar 1990 feierten Tausende Ostdeutsche den westdeutschen Kanzler. Ihre Erwartungen waren eindeutig: Die DDR-Bürger wünschten, dass der Osten der wirtschaftlich florierenden Bundesrepublik Deutschland angegliedert wird. Die DDR-Bürger setzten darauf, dass Kohl sein Versprechen schnell umsetzen würde, für "blühende Landschaften" zu sorgen.

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Bei der Verfolgung dieses Ziels bewies der Bundeskanzler (und seine schwarz-gelbe Regierung) Verhandlungsgeschick. Es gelang, die Zustimmung aller Siegermächte des Zweiten Weltkriegs zur deutschen Wiedervereinigung zu erhalten. Eine der letzten Hürden räumte er 1990 beim Treffen mit dem sowjetischen Präsidenten Michael Gorbatschow (re.) im Kaukasus aus: Kohl setzte die Nato-Mitgliedschaft eines vereinten Deutschlands durch.

Dabei hatte er 1986 noch für einen kleinen Skandal gesorgt, als er den Sowjetführer schmähte. In einem Interview mit dem Magazin Newsweek sagte er über Gorbatschow: "Das ist ein moderner kommunistischer Führer, der war nie in Kalifornien, nie in Hollywood, aber der versteht etwas von PR. Der Goebbels verstand auch etwas von PR. Man muss doch die Dinge auf den Punkt bringen!"

Das Bild zeigt die beiden Staatschefs im Jahr 1990 in Moskau

Helmut und Hannelore Kohl mit Genscher und Weizäcker am Brandenburger Tor, 1990

Quelle: REUTERS

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Am 3. Oktober 1990 schlug dann die historische Stunde: Mit Außenminister Hans-Dietrich Genscher (v. l. n. r.), seiner Frau Hannelore und Bundespräsident Richard von Weizsäcker feierte der Bundeskanzler die Wiedervereinigung Deutschlands.

CDU-Parteitag in Dresden 1991

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Auch wenn Kohls Position durch diesen politischen Erfolg noch einige Jahre gesichert blieb, brachten sich doch bereits potenzielle Nachfolger in Stellung. Mit der jungen Ostdeutschen Angela Merkel rechneten in den ersten Jahren nach der Einheit allerdings die Wenigsten als künftiger Parteichefin und Kanzlerin.

Auf dem CDU-Parteitag in Dresden 1991 gratulierte Kohl seiner neu gewählten Stellvertreterin im Parteivorsitz, Frauenministerin Angela Merkel.

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Quelle: SZ

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Die Versäumnisse der Kohl-Regierung beim Aufbau Ost und das Gefühl der politischen Stagnation führten in den neunziger Jahren zu wachsendem Unmut in der Bevölkerung. Die Deutschen hatten genug vom "Oggersheimer" - doch der wollte die Macht nicht an seinen potenziellen Nachfolger Wolfgang Schäuble abtreten. Kohls schwarz-gelbe Koalition fuhr bei der Bundestagswahl im September 1998 eine krachende Niederlage ein.

30 Jahre Wahl Helmut Kohls zum Kanzler

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Wie umfassend die Niederlage für Kohl und sein Lager war, zeigte sich in mehreren Punkten: Die Union fiel mit 35,1 Prozent erstmals seit 1949 unter 40 Prozent. Ebenso zum ersten Mal wurde eine Bundesregierung komplett abgewählt. Ebenfalls ein Novum: Die SPD gewann mehr als 20 Millionen Stimmen und die Parteien links der Mitte erhielten mehr als 50 Prozent der Stimmen.

Kohl hatte die Zeichen der Zeit verkannt, nun konnte er nicht mehr aus freien Stücken gehen. Am 27. Oktober 1998 gratulierte er seinem Nachfolger Gerhard Schröder, der mit seiner SPD und den Grünen die neue Bundesregierung bildete. Kohl verblieb zunächst noch als einfacher Abgeordneter im Bundestag und übergab den Parteivorsitz an Schäuble.

KOHL VOR UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS

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Erst nach dem Ende seiner Regierungszeit, 1999, wurde Kohls CDU-Spenden-Affäre publik. Es wurde bekannt, dass die Partei unter Kohl in den 90er Jahren "schwarze Konten" mit Spendengeldern geführt hatte. Der ehemalige Bundeskanzler bestätigte dies, aber wollte nicht zur Aufklärung beitragen. Hartnäckig weigerte er sich, die Namen der Spender zu nennen. Begründung: Er habe sein Ehrenwort gegeben, zu schweigen. Kohl trat daraufhin vom Amt des CDU-Ehrenvorsitzenden zurück.

Die neue Generalsekretärin Angela Merkel distanzierte sich öffentlich vom CDU-Übervater aus der Pfalz, auch sein einstiger Vertrauter Schäuble brach mit Kohl. Als auch Schäuble von den Ausläufern der Schwarzgeld-Affäre erfasst wurde, musste er seine Posten räumen - der Weg für Angela Merkel zur Macht war frei.

© Süddeutsche.de/mcs/odg
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