Kanzlerkandidatur:Merkels Entscheidung

PK Merkel zum Thema Bundespräsidentenwahl

Wie nie zuvor hat Merkel die Entscheidung hinausgeschoben - mehr als nur ein Indiz dafür, dass sie sich die Option eines Verzichts nach zwölf Jahren Kanzlerschaft tatsächlich so lange wie möglich offenhalten wollte.

(Foto: dpa)
  • Am Sonntag wird Kanzlerin Angela Merkel voraussichtlich erklären, ob sie für eine weitere Amtszeit kandidiert.
  • Eine erneute Kandidatur gilt als wahrscheinlich.
  • Der Druck auf Merkel, sich zu erklären, war zuletzt national wie international gewachsen.

Von Nico Fried

Am Anfang war es eher ein Spiel. Immer wieder ist Angela Merkel in den vergangenen Wochen und Monaten die Frage gestellt worden, ob sie noch einmal kandidiert. Manchmal direkt, manchmal von hinten durch die Brust ins Auge. Nachdem sie bisweilen die Raffinesse des jeweiligen Fragestellers gewürdigt hatte, antwortete die Kanzlerin stets, sie werde sich zu einem "gegebenen Zeitpunkt" dazu äußern. Oder zu einem "geeigneten Zeitpunkt". Oder eben, wenn es so weit ist. Jetzt ist es so weit.

An diesem Sonntag trifft sich die Spitze der CDU gegen 13 Uhr zu einer Klausurtagung in Berlin. Dann wird Merkel die Parteigremien über ihre Entscheidung informieren, um 19 Uhr dann die Öffentlichkeit in einer Pressekonferenz im Konrad Adenauer-Haus. Irgendwann an diesem Nachmittag soll es auch CSU-Chef Horst Seehofer erfahren. Sie hätte nicht mehr länger warten können. Ohnehin hat Merkel die Entscheidung wie nie zuvor hinausgeschoben, was mehr als nur ein Indiz dafür war, dass sie sich die Option eines Verzichts nach zwölf Jahren Kanzlerschaft so lange wie möglich offenhalten wollte.

Ursprünglich war dann der CDU-Parteitag Anfang Dezember als wahrscheinlichster Termin avisiert worden. Zuletzt aber wurde sogar die Möglichkeit kolportiert, dass Merkel noch bis zu einer gemeinsamen Klausur der Schwesterparteien Anfang 2017 warten könnte, um den empfindlichen Aussöhnungsprozess von CDU und CSU nicht zu belasten. Doch der Druck auf Merkel, Klarheit zu schaffen, ist vor allem seit der Wahl Donald Trumps zum nächsten US-Präsidenten schlagartig gewachsen. In der Partei, aber auch in der Öffentlichkeit und sogar in der internationalen Politik. Die Sache ist jetzt kein Spiel mehr. Und das ohnehin abebbende Verständnis für das Selbstbestimmungsrecht der Kanzlerin drohte umzuschlagen in den Vorwurf der blanken Wichtigtuerei.

Kanzlerkandidatur: Credit: SZ-Grafik; Quelle: Forschungsgruppe Wahlen: Politbarometer

Credit: SZ-Grafik; Quelle: Forschungsgruppe Wahlen: Politbarometer

Ein knappes Jahr als Kanzlerin ist Merkel noch gewiss, eine Wiederwahl mitnichten

Der Freitag in Berlin machte deutlich, worauf es ankommt: Angela Merkel saß da mit fünf Staats- und Regierungschefs - eine Schar politisch angeschlagener Existenzen. Auch die Kanzlerin selbst erscheint geschwächt, ihre Popularität war schon deutlich höher. Ein knappes Jahr als Kanzlerin ist ihr noch gewiss, eine Wiederwahl mitnichten. Zu unkalkulierbar ist die Dynamik des Zulaufs für die AfD. Und selbst die SPD erscheint mittlerweile wieder als ernstzunehmende Konkurrenz, nachdem Parteichef Sigmar Gabriel mit der Inthronisierung von Frank-Walter Steinmeier als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten seiner Partei gezeigt hat, dass auch Unmögliches möglich ist.

Doch gemessen an den wichtigsten Partnerstaaten des Westens wirkt Merkel immer noch am stärksten: US-Präsident Barack Obama befindet sich auf Abschiedstournee. Frankreichs Staatschef François Hollande sieht bereits wie ein sicherer Verlierer aus, bevor klar ist, ob er sich überhaupt um eine zweite Amtszeit bewirbt. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi steht vor einem schwierigen Verfassungsreferendum, mit dem er seine Zukunft verknüpft hat. Großbritanniens Premierministerin Theresa May musste sich jüngst im Unterhaus auslachen lassen, als sie erklärte, sie habe sehr wohl einen Plan für den Brexit. Und Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy verfügt nach monatelangem politischen Stillstand erst seit ein paar Tagen wieder über eine Mehrheit im Parlament. Wie lange, weiß niemand.

In der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel am Donnerstagabend sagte Obama über die Kanzlerin: "Wenn sie sich entscheidet, erneut zu kandidieren, wird sie tatsächlich große Verantwortung haben." Die Äußerung war nur eine weitere in einer Reihe zahlloser Kommentare und Analysen, in denen Merkel zuletzt eine immer wichtigere internationale Rolle zugeschrieben wurde. Mit ihrem forschen Statement am Tag nach den US-Wahlen, in dem sie Trump eine enge Zusammenarbeit anbot, dafür aber die Einhaltung westlicher Werte zur Voraussetzung erklärte, hat Merkel sich zu einer Antipodin all der Ankündigungen gemacht, die Trumps Wahlkampf prägten.

Gleichwohl wirkt Merkel mittlerweile so nüchtern, ja ablehnend gegenüber den Erwartungen an ihre Rolle wie vor acht Jahren gegenüber den maßlosen Heilsfantasien, die an Barack Obama gerichtet wurden. "Glücklicherweise gibt es noch sehr viele, die sich dem gleichen Ziel verschrieben haben", sagte Merkel am Donnerstagabend. Und in der Pressekonferenz mit dem Spanier Mariano Rajoy am Freitag fügte sie hinzu: "Ein Mensch allein kann niemals alles lösen, wir sind nur gemeinsam stark. Dabei will ich das tun, was meine Aufgabe ist als Bundeskanzlerin."

Wie Merkels Entscheidung lautet, sickerte am Freitag zunächst nicht endgültig durch. Als wahrscheinlich gilt eine neue Kandidatur. Böten die Buchmacher Wetten an, wären die Gewinnquoten für einen Verzicht erheblich höher. Aber das wäre dann wieder nur ein Spiel.

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