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Koalition streitet über Regulierung der Finanzmärkte:FDP warnt Merkel vor Alleingang bei Transaktionssteuer

Der Koalitionskrach war programmiert: Nachdem sich Angela Merkel für eine Finanztransaktionssteuer ausgesprochen hat, kommt massive Kritik aus der FDP. Die Maßnahme spalte Europa und benachteilige Deutschland, warnen führende Liberale - mit einer Ausnahme.

Die FDP hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf für ihren Kurs bei der Finanztransaktionssteuer kritisiert. Der Vorsitzende der Liberalen, Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, sagte der Frankfurter Rundschau: "Ich bleibe dabei: Eine solche Steuer muss für alle EU-Staaten gelten, nicht nur für die Euro-Staaten." FDP-Generalsekretär Patrick Döring bestärkte seinen Parteichef und sagte der Rheinischen Post, Alleingänge würden das Thema nicht voranbringen, "sondern bedeuten eine Verzerrung des Wettbewerbs".

"Die FDP beteiligt sich nicht daran, Finanzgeschäfte durch eine Steuer vom regulierten deutschen Markt in unregulierte Märkte zu vertreiben", betonte auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Volker Wissing, gegenüber Handelsblatt Online. "Solange die Verlagerungsfrage nicht gelöst ist, stimmt die FDP einer solchen Steuer nicht zu und besteht auf einer Einbeziehung Großbritanniens."

Im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler: "Ich warne die Kanzlerin ausdrücklich, diesen Weg weiter zu beschreiten. Sie ist gehalten, die getroffene Vereinbarung einzuhalten, sonst müssen auch wir als FDP uns künftig nicht mehr an Absprachen halten." Union und FDP seien "als Koalition angetreten, die Steuern nicht zu erhöhen". Deshalb passe die Finanztransaktionssteuer nicht zu Schwarz-Gelb.

Anders sieht das der schleswig-holsteinische FDP-Chef Wolfgang Kubicki: "Die Finanzmarkttransaktionssteuer muss kommen", sagte Kubicki der Leipziger Volkszeitung. "Ich halte es nicht für klug, in dieser Frage einen Konflikt mit der Union aufzubauen", so der FDP-Politiker, der dafür bekannt ist, sich häufig auch gegen die offizielle Parteilinie zu profilieren. Notfalls müsse man eine solche Steuer zunächst innerhalb der Euro-Zone verwirklichen.

Auch der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle sagte, es sei "sinnvoll, dass Frankreich bei der Finanztransaktionssteuer weiter vorprescht, damit auf diese Weise mehr Druck auf der internationalen Ebene ausgeübt wird". Wenn Paris voranschreite, könnten Vorbehalte ausgeräumt werden. "Großbritannien sollte bei der Finanztransaktionssteuer ebenfalls bald beidrehen", sagte der Obmann der Union im Haushaltsausschuss.

Linke bietet Merkel Stimmen an

Die Linke verlangte von Merkel, ihre Pläne auch gegen den Widerstand der FDP umzusetzen. Alle anderen Parteien im Bundestag seien für diese Steuer und die Linke werde im Parlament "für die Einführung stimmen", sagte die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch in Berlin. "Merkel sollte die Interessen des Landes vor den Koalitionsfrieden stellen", forderte sie.

Auch das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat die Ankündigung der Bundeskanzlerin begrüßt, sich für eine Finanztransaktionssteuer auch allein in der Euro-Zone einzusetzen und nicht mehr auf eine EU-weite Einführung zu bestehen. "Das ist ein großer Fortschritt", sagte Attac-Experte Detlev von Larcher der Frankfurter Rundschau. "Wir sehen uns in unserer Überzeugung bestärkt, dass die Finanztransaktionssteuer in der Euro-Zone bald kommen wird." Dies werde die FDP nicht mehr verhindern können, sagte von Larcher weiter.

Merkel hatte am Montag erklärt, sie sei an der Seite Frankreichs zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer ohne den wichtigsten europäischen Finanzplatz London bereit. Wenn es nicht gelinge, alle 27 EU-Länder einzubeziehen, könne sie sich auch eine Lösung nur in der Euro-Zone vorstellen, sagte sie nach einem Treffen mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Berlin.

Auf Druck Deutschlands und Frankreichs hatte die EU-Kommission kürzlich den Vorschlag gemacht, wonach kommerzielle Aktien- und Anleihengeschäfte mit einem Mindestsatz von 0,1 Prozent und Derivategeschäfte von 0,01 Prozent besteuert werden sollten. Sie verspricht sich davon Einnahmen von etwa 57 Milliarden Euro pro Jahr in der EU, die sie zum Teil auf Kommissionsebene halten will.

Am heutigen Dienstag berät sich Merkel mit der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, über die Euro-Schuldenkrise. Bei dem Treffen in Berlin geht es vor allem um die drohende Staatspleite in Griechenland. Die Kanzlerin setzt sich für einen Verbleib des Mittelmeerlandes im Euro-Raum ein und dringt auf einen schnellen Abschluss der Umschuldungs-Verhandlungen mit den Banken. Zudem dürfte es auch um den drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruch Ungarns gehen.

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