In der deutschen Politik und Wirtschaft gibt es noch immer erstaunlich viele, die bisweilen in bizarrer Bewunderung des chinesischen Modells erstarren. Es hülfe, wenn manche Trugschlüsse über China aus der Welt geräumt würden. Zum Beispiel jener, die jetzige Regierung sei unter den gegebenen Umständen die bestmögliche für ein Land wie China.
Ja, diese Regierung hat Erfolge aufzuweisen, aber viele ihrer Erfolge sind vergiftet und nicht nachhaltig. Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes geht einher mit Umweltzerstörung, rasant wachsender Ungleichheit, sozialen Unruhen.
Oder jener Trugschluss, wonach die Führer in Peking allein die Interessen der Nation im Auge hätten. Muss man Schriftsteller ins Gefängnis werfen und Richter zu Befehlsempfängern machen, damit China stark wird? Nein, man muss es machen, damit die Partei stark bleibt. Muss man Journalisten gängeln, damit China stark wird? Nein, man muss es machen, damit zum Beispiel die Nachricht von den unredlich erworbenen Millionen und Milliarden in den Taschen der höchsten Familien nicht das Volk erreicht.
In dieser Welt besteht nur ein einiges Europa
China ist ein schwieriger Partner. Eine demokratische Regierung steckt daher in einem Dilemma: Man braucht Peking, um mit Nordkorea fertigzuwerden, um für Syrien und den Atomstreit mit Iran eine Lösung zu finden, um das globale Finanzsystem zu retten. Man braucht China, um die eigene Wirtschaft aufzupäppeln.
Und doch hat die "fast perfekte Symbiose zwischen der chinesischen und der deutschen Wirtschaft", welche die Denkfabrik European Council on Foreign Relations konstatierte, ihre Fallstricke. Denn mehr und mehr haben wir ein Interesse an der Stabilität Chinas. Aber ist das Interesse an der Stabilität des Landes auch ein Interesse an der Stabilität des Regimes? Das wäre fatal. Gerade wer ein langfristig stabiles und friedliches China will, muss gegen die ewige Fortsetzung dieser Einparteienherrschaft sein.
Was Merkel und ihre 150 Chinareisenden mit nach Berlin nehmen könnten: mehr Realismus. Die Erkenntnis, dass die Verzagtheit der Europäer, wenn sie China gegenübertreten, fehl am Platz ist. Und vielleicht am wichtigsten die Einsicht: Wenn man neben Ländern wie China, Russland und den USA über die Finanzwelt von morgen und das Klima von übermorgen mitbestimmen will, dann kann man als Deutschland noch so gut dastehen - allein ist man zu schwach. In dieser Welt besteht nur ein einiges Europa.