Kanzlerin kämpft für Stuttgart 21:Merkel versteht jetzt Bahnhof

Die Bundeskanzlerin stellt sich hinter den Umbau des Stuttgarter Bahnhofs - überraschend und ohne Not. Angela Merkel erklärt die Landtagswahl in Baden-Württemberg zur Volksabstimmung über das Milliarden-Projekt. Die Grünen unken, es könne dann um die "Existenz der Regierung" gehen.

Stefan Braun

Kanzlerin Angela Merkel hat im Streit über das Großprojekt Stuttgart 21 Position bezogen. In der Haushaltsdebatte des Bundestags betonte Merkel, sie stelle sich voll hinter den Umbau des Bahnhofs. Weiter sagte die CDU-Chefin, eine Volksabstimmung über das umstrittene Bauvorhaben sei nicht nötig. Die Landtagswahl Ende März 2011 werde "die Befragung der Bürger über die Zukunft Baden-Württembergs, über Stuttgart 21 und viele andere Projekte sein".

Kanzlerin kämpft für Stuttgart 21: Angela Merkel nutzte die Haushaltsdebatte im Bundestag für eine Ankündigung: Die Landtagswahl in Baden-Württemberg werde zur Volksabstimmung über das Bahn-Projekt Stuttgart 21.

Angela Merkel nutzte die Haushaltsdebatte im Bundestag für eine Ankündigung: Die Landtagswahl in Baden-Württemberg werde zur Volksabstimmung über das Bahn-Projekt Stuttgart 21.

(Foto: AFP)

Merkels Unterstützung für das Stuttgarter Milliardenprojekt kommt überraschend. In der Vergangenheit hatte die Kanzlerin selten so eng auf ein Vorhaben gesetzt, dessen politische Risiken derzeit niemand einschätzen kann.

Seit Wochen demonstrieren regelmäßig Tausende gegen die Umbaupläne im Stadtzentrum. Die schwarz-gelbe Landesregierung in Stuttgart hat als Reaktion auf den Konflikt laut Umfragen derzeit keine Mehrheit mehr. Zuletzt ermittelten Meinungsforscher für SPD und Grüne insgesamt 48 Prozent - CDU und FDP kommen zusammen nur auf 40 Prozent. Bemerkenswert ist dabei, dass die Grünen derzeit mit 27 Prozent deutlich vor der SPD liegen, die 21 Prozent erhalten würde.

Grüne begrüßen Merkels Einsatz

Trotz dieser Ausgangslage gab die Kanzlerin der baden-württembergischen Landesregierung ungewöhnlich eindeutig volle politische Rückendeckung. Zugleich griff sie die Grünen und die SPD scharf an. Beiden Parteien warf sie vor, sie hätten sich bislang stets für Schienenprojekte eingesetzt. Jetzt aber, wo es Proteste gebe, wichen sie zurück. "Diese Art von Standhaftigkeit ist es genau nicht, die Deutschland voranbringt."

Merkel verbindet wie der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus mit diesem Konflikt offenbar auch die Frage, ob in Deutschland derlei Großprojekte überhaupt noch umgesetzt werden können, sollten diese noch in Frage gestellt werden, obwohl bereits alle demokratischen und juristischen Instanzen durchlaufen sind.

Die Grünen begrüßten Merkels klares Eintreten für das Projekt, weil sie darin eine große Chance sehen, bei den Landtagswahlen am 27. März 2011 zu gewinnen. Die Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast, sagte der Leipziger Volkszeitung, diese Wahl könne sich bis hin zur "Existenz der Bundesregierung" auswirken.

"Abgehoben und bürgerfern"

Künast behauptete, den Grünen gelänge es immer stärker, ökonomische mit ökologischen Fragen zu verbinden. Das strahle aus auf konservativ denkende Menschen.

Der SPD-Landesgeneralsekretär und Bundestagsabgeordnete Peter Friedrich nannte Merkels Äußerungen "abgehoben und bürgerfern". Die Kanzlerin wolle mit ihrer Kritik von der eigenen Unfähigkeit ablenken, zugespitzte Konflikt zu lösen. Bislang hatte die Landes-SPD das Projekt jahrelang voll unterstützt. Erst seit die Proteste immer lauter werden, plädiert sie für eine Volksabstimmung.

In der Haushaltsdebatte hob die Kanzlerin hervor, dass Deutschland zwei Jahre nach Beginn der Finanzkrise wieder gut dastehe, das sei auch ein Verdienst der schwarz-gelben Regierung. Politiker der Opposition dagegen warfen ihr Lobby-Politik vor.

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