Kandidatenkarussell zum Republikaner-Vize:Wer wird Romneys running mate?

Es ist das Lieblingsspiel der Politik-Beobachter in Amerika: Sie spekulieren darüber, wen der Republikaner Mitt Romney als Vizepräsidenten nominiert, um in den Wahlkampf gegen Barack Obama zu ziehen. Jung oder erfahren, Mann oder Frau, Latino oder beliebt bei der Tea Party: Für jeden der möglichen Stellvertreter gibt es gute Argumente. Süddeutsche.de stellt die Bewerber und ihre Stärken und Schwächen vor.

Matthias Kolb, Washington

Marco Rubio, Senator aus Florida

Sen. Marco Rubio Gives Foreign Policy Speech At The Brookings Institution

Marco Rubio

(Foto: AFP)

Für ihn spricht: Marco Rubio wurde 1971 als Sohn kubanisch-amerikanischer Eltern in Miami geboren und gilt als einer der wenigen Republikaner, die bei Hispanics ankommen. Rubios Fans führen stets an, dass die Latinos 2012 als Wählergruppe immer wichtiger werden (2050 wird ihr Anteil an der Bevölkerung laut US-Statistikbehörde 25 Prozent betragen) und Romney den umkämpften Bundesstaat Florida unbedingt gewinnen muss, um ins Weiße Haus einzuziehen. Dass Rubio 2010 mit Unterstützung der Tea Party in den Senat gewählt wurde, gilt ebenso als Plus wie sein Bemühen, einen Kompromiss im Streit um die Einbürgerung illegaler Einwanderer zu finden (mehr zum Dream Act).

Rubio ist derzeit einer der auffälligsten US-Politiker: Er tritt regelmäßig im englisch- und spanischsprachigen Fernsehen auf, im Juni erscheint seine Autobiographie An American son, gefolgt von einer ersten kritischen Biographie. Im April absolvierte er einige Auftritte mit Romney und hielt eine außenpolitische Grundsatzrede an der renommierten Brookings Institution, in der er staatsmännisch auf allzu harsche Obama-Kritik verzichtete. Vorgestellt wurde er vom unabhängigen Senator Joe Lieberman, was von vielen Beobachtern als eine Art Ritterschlag gewertet wurde - und auch John McCain rät Romney, den jungen Senator aus Florida in Erwägung zu ziehen.

Gegen ihn spricht: Der vierfache Vater kam erst 2010 in den US-Senat und verfügt daher noch nicht über allzu viel Erfahrung als Spitzenpolitiker. Dabei müsste er nach einem tödlichen Unfall oder einem Anschlag auf Romney die USA als Präsident regieren. Ein weiterer Einwand: Rubio hat eigentlich keinen Grund, sich mit dem Stellvertreterposten zufrieden zu geben. Je nachdem, wie die Wahl im November ausgeht, könnte er 2016 oder 2020 für das höchste Amt kandidieren und wäre dann noch immer ein relativ junger Präsident.

Condoleezza Rice

Frühere Außenministerin unter George W. Bush

Kandidatenkarussell zum Republikaner-Vize: Condoleezza Rice

Condoleezza Rice

(Foto: AFP)

Für sie spricht: Ginge es nach den Zuschauern von CNN würden die Republikaner wieder mit einem gemischten Doppel antreten: Im April 2012 stimmten die meisten für die 1954 geborene Ex-Außenministerin von George W. Bush. Sie lehrt heute als Professorin in Stanford und leitet mit dem früheren Bush-Sicherheitsberater Stephen Hadley und Ex-Verteidigungsminister Robert Gates eine Beratungsfirma. Dass sie als Afroamerikanerin in einer von Obamas wichtigsten Wählergruppen Stimmen holen könnte, wird ebenfalls als Plus angeführt.

Gegen sie spricht: Rice war eine der prominentesten Figuren der acht Bush-Jahre, die gerade vielen Wechselwählern in unguter Erinnerung geblieben sind. Das Obama-Lager könnte versuchen, Rice für die Folgen der Bush-Politik verantwortlich zu machen, mit denen die USA bis heute zu kämpfen haben: enorme Staatsverschuldung, teure Militäreinsätze, Steuersenkungen für Besserverdienende und die Kosten der Bankenrettung. Condoleezza Rice wäre eine spektakuläre Wahl, die viel Aufmerksamkeit vom eigentlichen Kandidaten Romney abziehen könnte.

Rob Portman

Rob Portman

Rob Portman

(Foto: AP)

Senator aus Ohio

Für ihn spricht: Von Journalisten wird der im Dezember 1955 geborene Rob Portman als "wenig charismatisch" und "farblos" beschrieben. Nicht nur der Satiriker Stephen Colbert ist überzeugt, dass Portman seinem Boss nie die Show stehlen würde, weil dieser "noch langweiliger" als Romney sei. Dabei gilt der Jurist als harter Arbeiter und verfügt über viel politische Erfahrung: Er war Direktor des Büros für Rechtsangelegenheiten unter Präsident George Bush, Abgeordneter im Repräsentantenhaus, verhandelte jahrelang für die Regierung von George W. Bush über internationale Handelspolitik und überwachte die Einhaltung der Budgets der Ministerien. Diese Qualifikationen machen ihn zum Gegenstück zu Sarah Palin.

Sollte Romney Rob Portman wählen, würde dies signalisieren, für wie ernst er die wirtschaftliche Lage hält. Mit den Worten "Es gibt in Washington kein Defizit an Aufgeregtheit, sondern ein riesiges Haushaltsdefizit. Wir brauchen Leute wie Rob, die standhaft und bedächtig sind", wirbt etwa Senator Lindsey Graham für seinen Parteifreund. Dass Portman aus Ohio, dem neben Florida wichtigsten swing state stammt, ist ein weiteres Plus: Seit hundert Jahren ist kein Republikaner zum Präsidenten gewählt worden, der nicht den Buckeye State gewinnen konnte.

Gegen ihn spricht: Alle Argumente, die für Portman sprechen, lassen sich gegen ihn anführen. Seine Nominierung würde weder die Wähler noch die Medien elektrisieren, sondern zeigen, dass sich Romney als ernsthafte Alternative zum Popstar-Präsidenten Barack Obama zeigen will.

Jeb Bush

Jeb Bush

Jeb Bush

(Foto: AP)

Früherer Gouverneur von Florida, Präsidentenbruder und Präsidentensohn

Für ihn spricht: Für die Berater von Präsident Barack Obama käme es einem Albtraum gleich, wenn dieser Mann an der Seite von Mitt Romney antreten würde: Der Katholik ist im umkämpften Florida noch beliebter als Marco Rubio, hat eine Mexikanerin geheiratet und spricht Spanisch. Für Jeb, den jüngeren Bruder von George W. Bush, können sich sogar viele Wechselwähler begeistern. Als Gouverneur Floridas hat er Bildungsreformen auf den Weg gebracht, die von vielen Staaten übernommen wurden und seit seinem Rückzug aus der aktiven Politik setzte sich der 1953 geborene Bush dafür ein, dass die Republikaner bei Latinos beliebter werden.

Gegen ihn spricht: Sein Nachname und die Vermutung, dass viele Amerikaner wohl ungern den dritten Spross der Bush-Politdynastie im Weißen Haus sehen möchten. Daneben gibt es glaubwürdige Dementi, dass der dreifache Vater nicht an eine Rückkehr in die aktive Politik denkt. Alex Castellanos, Bush-Vertrauter und Werbefachmann der Republikaner, nennt in einem Interview mit Politico private Gründe für diese Haltung: "Jeb sagt nicht 'Nein' zu Mitt Romney, sondern er sagt 'Nein' zu einem hektischen Leben, auf das er sich nicht mehr einlassen will."

Rick Santorum

Rick Santorum

Rick Santorum

(Foto: AP)

Ex-Senator aus Pennsylvania und Ex-Präsidentschaftskandidat

Für ihn spricht: Sein gutes Abschneiden bei den Vorwahlen hat gezeigt, dass Rick Santorum bei vielen konservativen Amerikanern sehr gut ankommt, wenn er mit Leidenschaft über den Niedergang der amerikanischen Industrie sowie seine Lieblingsthemen Abtreibung, Verhütung oder Homo-Ehe spricht. Viele in der Basis haben noch immer Zweifel, dass Romney wirklich konservativ und nicht nur ein Rino sei - also ein "Republican in name only". Die Kür von Santorum zum running mate könnte diese Zweifel beseitigen.

Gegen ihn spricht: Der Vorwahlkampf zwischen Romney und Santorum wurde verbissen und mit vielen persönlichen Anschuldigungen geführt, so dass es schwer vorstellbar ist, dass beide eine vertrauensvolle persönliche Beziehung aufbauen könnten. Zudem würde Romney ein Schwenk in die Mitte hin zu den wichtigen Wechselwählern mit Santorum an seiner Seite schwerfallen. Und die Tatsache, dass der frühere Senator aus Pennsylvania 2012 als Underdog angetreten und überraschend erfolgreich war, spricht dafür, dass er lieber als Nummer 1 ins Weiße Haus einziehen möchte.

Susana Martinez

Susana Martinez

Susana Martinez

Gouverneurin von New Mexico

Für sie spricht: Sie ist eine Frau, Hispanic und regiert einen swing state. Die frühere Staatsanwältin ist die erste Latina, die zur Gouverneurin gewählt wurde. Eineinhalb Jahre nach ihrer Wahl ist sie in New Mexico äußerst beliebt und erhält auch von vielen Demokraten gute Werte. Und alle Experten sind sich einig, dass der Kandidat am 6. November gewinnen wird, der besonders bei der immer wichtiger werdenden Gruppe der Hispanics und bei Frauen punkten kann. Die 1959 geborene Martinez erscheint vielen Analysten als ideale Wahl, um Romneys Defizite bei beiden Gruppen auszugleichen.

Gegen sie spricht: Ähnlich wie Marco Rubio wurde Martinez erst Ende 2010 gewählt und verfügt über relativ wenig politische Erfahrung. Außerdem ist sie der großen Mehrheit der Amerikaner unbekannt - die Parallelen zu Sarah Palin fallen nicht mehr nur dem Magazin The New Republic auf. Zudem hat Martinez persönliche Gründe vorgebracht, weshalb sie nicht als Romneys Stellvertreterin nach Washington umziehen wolle: Sie müsse sich um ihre behinderte Schwester Lettie und ihren an Alzheimer erkrankten Vater kümmern.

Chris Christie

Chris Christie

(Foto: AP)

Chris Christie

Gouverneur von New Jersey

Für ihn spricht: Nicht nur die Washington Post hält Christie für den momentan beliebtesten Politiker der Republikaner. Monatelang wurde der schwergewichtige Gouverneur von New Jersey dazu gedrängt, für das Präsidentenamt zu kandidieren. Als Regierungschef in New Jersey setzte er einen Sparkurs durch und elektrisiert die konservative Basis ebenso wie die einflussreiche Kommentatorin Ann Coulter, weil er Abtreibung und Schwulenehe strikt ablehnt.

Der 1962 geborene Jurist ist für seinen konfrontativen Stil bekannt und kommt mit seiner hemdsärmeligen Art bei vielen Wählern gut an. Dass er jüngst nach Israel reiste, deuteten viele in Washington als Beweis für seine Ambitionen. Die Tatsache, dass er als Republikaner das traditionell demokratische New Jersey regiert, zeigt auch, dass Christie auch bei Wechselwählern gut ankommt.

Gegen ihn spricht: Christie hat noch nicht mal seine erste Amtszeit als Gouverneur von New Jersey beendet. Vor seiner Wahl war er sechs Jahre Bundesstaatsanwalt in seinem Heimatstaat, also der oberste Strafverfolger im Auftrag Washingtons. Er kokettiert selbst damit, noch "nicht reif" für höchste Ämter zu sein - außerdem liebe er seinen Job im Garden State. Und es erscheint nicht ausgeschlossen, dass Christie ähnlich wie Santorum und Rubio auf den besten Zeitpunkt wartet, um selbst als Präsidentschaftskandidat anzutreten.

Kandidatenkarussell zum Republikaner-Vize: Brian Sandoval

Brian Sandoval

(Foto: AFP)

Brian Sandoval

Gouverneur von Nevada

Für ihn spricht: Brian Sandoval ist der männliche Gegenpart zu Susana Martinez, der Gouverneurin aus New Mexico. Sandoval ist ebenfalls seit 2011 Gouverneur in einem wichtigen swing state, in dem viele Latinos leben, und hat vor seinem politischen Posten als Jurist Karriere gemacht.

Gegen ihn spricht: Ähnlich wie Martinez verfügt der 1963 geborene Sandoval über wenig Regierungserfahrung und ist landesweit bisher kaum bekannt. Dies könnte sich allerdings schnell ändern, wenn Mitt Romney ihn als running mate auswählen sollte.

Paul Ryan Gives Speech On Federal Budget At Georgetown University

Paul Ryan

(Foto: AFP)

Paul Ryan

Abgeordneter aus Wisconsin, Vorsitzender des Haushaltsausschusses

Für ihn spricht: Paul Ryan kommt ebenfalls aus einem swing state und wird wegen seiner radikalen Kürzungsvorschläge vor allem von Tea-Party-Fans verehrt. Doch auch Mitt Romney unterstützt Ryans Haushaltsplan, der drastische Streichungen im Sozialbereich vorsieht, und hat ihn als "wunderbar" bezeichnet. Der 1970 geborene Ryan ist telegen und bei allen Flügeln der GOP beliebt. "Jeder möchte mit ihm auftreten", sagte ein hochrangiger Mitarbeiter der Grand Old Party dem Insider-Blatt Politico.

Gegen ihn spricht: US-Präsident Obama und die Demokraten haben Ryan als Verkörperung der republikanischen Haushaltspolitik auserkoren und sein Budget als "grausam" bezeichnet. Mit einem running mate Paul Ryan würde sich Romney womöglich unnötigerweise festlegen. Und ähnlich wie Christie und Rubio hat der relativ junge Abgeordnete aus Wisconsin genug Zeit, um zunächst einen Sitz im US-Senat und in einigen Jahren selbst das höchste Amt im Staat anzustreben.

Mitch Daniels

Mitch Daniels

(Foto: AP)

Mitch Daniels

Gouverneur von Indiana

Für ihn spricht: Mitch Daniels arbeitete als Budget Director im Kabinett von George W. Bush, wachte also über die Einhaltung der Budgets der einzelnen Minsiterien. 2005 wurde er zum Gouverneur von Indiana gewählt. Der 1949 geborene Daniels ist einer der bekanntesten Regierungschefs und antwortete im Januar auf Obamas "Rede zur Lage der Nation". Lange wurde spekuliert, ob der als Pragmatiker geltende Daniels 2012 als Präsidentschaftskandidat antritt.

Bob McDonnell

Bob McDonnell

(Foto: AP)

Gegen ihn spricht: Sein Name wird sehr häufig genannt, der Überraschungseffekt wäre also nicht sehr groß. Zudem halten es Insider wie Chris Chilizza von der Washington Post auch für möglich, dass Daniels Romney einen Korb geben würde: "Es ist sehr schwer, das Angebot abzulehnen, als Vizepräsident anzutreten. Aber wenn jemand das tun könnte, dann wäre es ganz sicher Mitch Daniels."

Bob McDonnell

Gouverneur von Virginia

Für ihn spricht: Der 1954 geborene Bob McDonnell regiert seit Anfang 2010 den wichtigen swing state Virginia, den er lange Zeit im Repräsentantenhaus vertrat. Im Wahlkampf setzte er erfolgreich auf das Thema Wirtschaft und wählte als Slogan "Bob's for Jobs". Damit würde er gut zu Mitt Romney passen. Auch die Tatsache, dass die Regierungschefs in Virginia nicht wiedergewählt werden können, macht den Gedanken an einen Umzug ins Weiße Haus umso attraktiver.

Nikki Haley

Nikki Haley

(Foto: AP)

Gegen ihn spricht: Von allen Kandidaten hat McDonnell am ehesten seine Bereitschaft erkennen lassen. "Das müssen Sie Mitt Romney fragen", antwortete er auf eine entsprechende Frage. Insofern wäre der Überraschungsmoment bei einer Kür McDonnells nicht allzu hoch. Zuletzt stand der Republikaner in der Kritik, weil er ein Gesetz unterzeichnete, das vorsieht, dass sich Frauen vor einer Abtreibung einer Ultraschalluntersuchung unterziehen müssen, obwohl dieses Verfahren als medizinisch unnötig gilt. Der "war on women" und die Debatte über das Frauenbild der Republikaner wäre sofort wieder entbrannt.

Nikki Haley

Gouverneurin von South Carolina

Für sie spricht: Nikki Haley aus South Carolina ist die erste Frau indischer Abstammung, die einen US-Bundesstaat regiert. Zugleich ist sie die jüngste aller 50 Gouverneure. Haley steht der Tea-Party-Bewegung nahe und wurde im Wahlkampf von Sarah Palin unterstützt. Dies kann - je nach Perspektive - als Vorteil wie auch als Nachteil gewertet werden.

Gegen sie spricht: Ähnlich wie Martinez und Sandoval verfügt die 1972 geborene Haley über wenig Regierungserfahrung und ist landesweit bisher kaum bekannt.

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