Kandidaten:Vorahnung der Macht

Bilder des Tages 26 02 2018 Berlin Deutschland GER 30 Parteitag der CDU Deutschlands Jens Spahn

Wollen Angela Merkel an der Spitze der CDU beerben: Gesundheitsminister Jens Spahn und Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer.

(Foto: imago/Stefan Zeitz)

Friedrich Merz bemüht sich, die Distanz zu Merkel nicht zu groß erscheinen zu lassen, Jens Spahn wählt den gegenteiligen Weg. Und Annegret Kramp-Karrenbauer wartet noch ab.

Von Robert Roßmann, Berlin

Als Angela Merkel am Montag ihren Rückzug von der CDU-Spitze angekündigt hat, haben einige Herlinde Koelbls Buch "Spuren der Macht" aus dem Regal geholt. In ihrer Langzeitstudie über "die Verwandlung des Menschen durch das Amt" hatte die Fotografin auch Politiker wie Joschka Fischer und Angela Merkel begleitet. Fast zwanzig Jahre ist das Buch alt, aber es ist immer noch ein beeindruckendes Dokument dafür, wie stark der Politikbetrieb seine Akteure verschleißt. Sie wolle "kein halbtotes Wrack sein", wenn sie aus der Politik aussteige, hat Merkel damals der Fotografin Koelbl gesagt - und auch darüber gesprochen, wie schwer es sei, den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg zu finden. Es war also kein Wunder, dass sich bei Merkels Rücktrittsankündigung viele an diese Sätze erinnerten. Umso erstaunter waren all jene, die Koelbls Bilder vor Augen hatten, über den Auftritt von Friedrich Merz.

Der frühere Unionsfraktionschef ist am Mittwoch in die Bundespressekonferenz gekommen, um seine Kandidatur für die Merkel-Nachfolge zu begründen. Und zum Erstaunen der meisten im Raum sah er keinen Tag älter aus als bei seinem Ausstieg aus der Bundespolitik vor knapp einem Jahrzehnt - als ob er die ganze Zeit in einem Konservierungsbad gelegen hätte. Ein Job in der Wirtschaft scheint einen viel weniger zu verschleißen als ein Spitzenamt in der Politik.

Merkel tritt nach 18 Jahren an der Parteispitze ab, die CDU will sich verjüngen und erneuern. Merz ist nur ein gutes Jahr jünger als Merkel, aber er wirkt an diesem Mittwoch tatsächlich wie der Vertreter einer neuen Generation. Neben Merz sieht zur Zeit sogar Jens Spahn alt aus - wie überhaupt Merz gerade die Karriereplanung des jungen Gesundheitsministers durcheinanderwirbelt.

Aber zunächst zu Merz. Die CDU brauche "einen klaren Kurs in einer Zeit radikaler Umbrüche", sagt er - "nationale Identität und traditionelle Werte" seien wichtig, die Partei benötige eine "neue Orientierung" und die Besinnung auf ihren "Markenkern". So weit, so erwartbar für einen Politiker, der immer auch als Stimme der Konservativen und Wirtschaftsliberalen in der Partei galt. Aber Merz sagt auch: "Wir brauchen keinen Umsturz." Und er plädiert dafür, dass Öffnung und Modernisierung der CDU weitergehen. Umso länger Merz spricht, umso mehr hat man den Eindruck, dass dieser Auftritt auch dazu dient, all jene in der CDU zu überzeugen, die befürchten, er könne als Parteichef nicht gedeihlich mit einer Kanzlerin Merkel zusammenarbeiten. Ob er nach seiner Wahl nicht so etwas wie der neue Horst Seehofer an der Seite Merkels werden würde, wird Merz gefragt. Das schließe er "vollkommen aus", sagt Merz - und verweist darauf, dass er Merkel in den vergangenen Jahren öfter und ohne Probleme getroffen habe. "Zu versöhnen gibt es zwischen Angela Merkel und mir nichts", beteuert er - sie würden "unter den geänderten Bedingungen" schon klarkommen. Er sei jedenfalls bereit, sich "auf dieses Wagnis einzulassen".

Während Merz sich also gerade darum bemüht, die Distanz zu Merkel nicht zu groß erscheinen zu lassen, um für breite Teile der CDU wählbar zu werden, hat sich Spahn für den gegenteiligen Weg entschieden. Auch er will CDU-Chef werden. Aber er geht deutlich auf Distanz zur Kanzlerin und ihrer Flüchtlingspolitik. "Die CDU ist das Herz unserer Demokratie. Wir haben zugelassen, dass dieses Herz an Kraft verliert", klagt Spahn am Donnerstag in einem kurzen Videoclip. Und in einem Gastbeitrag für die FAZ schreibt er, "der weiße Elefant im Raum" sei "die Frage der Migration". Deutschland erfahre "weiterhin eine jährliche ungeordnete, überwiegend männliche Zuwanderung in einer Größenordnung von Städten wie Kassel oder Rostock". Diese gelte es "zu begrenzen" und "besser zu steuern".

Spahn hat es nicht leicht. In den vergangenen Jahren agierte er erfolgreich als Teil eines Trios - zusammen mit den Vorsitzenden von Junger Union und Mittelstandsvereinigung, Paul Ziemiak und Carsten Linnemann. Doch diesmal können ihm die beiden nicht zur Seite springen. Auf den Deutschlandtagen der Jungen Union wird Spahn zwar immer gefeiert. Doch im JU-Vorstand gibt es nicht nur Spahn-Freunde, sondern auch Merz-Verehrer und sogar einige Kramp-Karrenbauer-Unterstützer. Ziemiak spricht deshalb von einer "tollen Auswahl" an Kandidaten, die die CDU-Delegierten jetzt hätten - vermeidet aber jede Vorabfestlegung. Und in Linnemanns Mittelstandsvereinigung gibt es viele, die Merz noch mehr schätzen als Spahn. Linnemann hat sich deshalb für einen "offenen Wettbewerb" und gegen eine Wahlempfehlung "von oben" ausgesprochen.

Merz und Spahn fischen im selben Lager. Und wenn Merz nicht noch durch Vorwürfe wegen seiner Arbeit beim Vermögensverwalter Blackrock zurückgeworfen wird, könnte es sein, dass Spahn an dem Älteren nicht mehr vorbeikommt.

Und was ist mit der Dritten im Kandidaten-Bunde? Anders als Spahn und Merz will Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Kandidatur erst in der kommenden Woche begründen. Dann ist das Rennen um die Merkel-Nachfolge endgültig eröffnet.

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