Kandidaten-Tod:Bundestagswahl-Ergebnis verzögert sich bis Oktober

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Das amtliche Endergebnis der Bundestagswahl wird sich wegen des Todes der Dresdner NPD-Direktkandidatin Kerstin Lorenz um einige Wochen verzögern. Erst dann kann der Bundeskanzler gewählt werden.

Im Bundestagswahlkreis 160 (Dresden I) wird durch den Tod der örtlichen NPD-Wahlkreiskandidatin eine Nachwahl fällig. Im Wahlkreis 160 wurde die Abstimmung bereits abgesagt, alle bisher abgegebenen Stimmen sind ungültig. Die 219.000 Wahlberechtigten des Wahlkreises Dresden I können am 18. September somit gar nicht wählen. Es ist nicht zulässig, allein die Zweitstimme abzugeben. Erst- und Zweitstimme müssen gemeinsam abgegeben werden.

Durch die Nachwahl verzögert sich die Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses. Ungeachtet der Nachwahl in Dresden wird in der Nacht nach der Bundestagswahl ein vorläufiges amtliches Endergebnis veröffentlicht. "Es wird noch geprüft, in welcher Form in der Wahlnacht das vorläufige amtliche Endergebnis verkündet wird", sagte Heinz-Christoph Herbertz, Bürochef des Bundeswahleiters Johann Hahlen.

Die Feststellung des amtlichen Endergebnisses durch den Bundeswahlausschuss ist bisher für den 6. Oktober geplant. Ob es dabei bleibe, hänge vom Termin der Nachwahl in dem Dresdner Wahlkreis ab, so Herbertz.

Die 43-Jährige NPD-Kandidatin Kerstin Lorenz war am Montag während einer Wahlveranstaltung in Dresden nach einem Hirnschlag zusammengebrochen und am Mittwoch gestorben.

Nachwahl innerhalb von sechs Wochen

Die Landeswahlleiterin Irene Schneider-Böttcher setzte am Donnerstag die Bundestagswahl im Wahlkreis Dresden I für diesen Tag aus und ordnete eine Nachwahl an. Nach ihren Angaben ist deshalb am Abend der Bundestagswahl kein vorläufiges amtliches Endergebnis mehr zu erwarten. So lange dies nicht vorliegt, darf aber auch keine Wahl des neuen Bundeskanzlers erfolgen.

In der Regel wird der Bundeskanzler in den ersten Tagen nach dem Zusammentritt des neuen Bundestages gewählt. Der neue Bundestag muss spätestens am 30. Tag nach der Bundestagswahl zusammenkommen. Stichtag für die Konstituierung des 16. Bundestages ist der 18. Oktober 2005.

Der Termin der Nachwahl steht noch nicht fest, sie muss aber binnen sechs Wochen nach dem 18. September stattfinden. "Wir wollen Zeitnähe, spätestens am ersten Oktober-Wochenende, vielleicht auch noch im September", so Schneider-Böttcher.

Nach Einschätzung der Landeswahlleiterin kann das Ergebnis der Nachwahl in Dresden bundesweite Auswirkungen haben, wenn es nach der Wahl am 18. September keine eindeutigen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag gibt.

NPD: Nachwahl erst am 2. Oktober

Durch die Nachwahl könne es Verschiebungen bei den Überhangmandaten geben, sagte der Bundeswahlleiter-Bürochef Heinz-Christoph Herbertz.

Gravierende Auswirkungen könnte die Nachwahl haben, wenn die NPD bundesweit zwar unter fünf Prozent bliebe, dafür aber zwei andere Wahlkreise direkt gewinnen sollte. Dann hätte sie durch die Nachwahl im Wahlkreis 160 die Chance, ein drittes Direktmandat zu erringen. In diesem Fall würde die NPD in der Stärke ihres Gesamt-Stimmergebnisses in den Bundestag einziehen, wie es bei der PDS 1990 und 1994 der Fall war.

NPD-Bundeswahlkampfleiter Peter Marx sagte, der Dresdner Kreisvorstand der Partei werde am Sonntag mit den Vertrauensleuten tagen, um einen neuen Kandidaten zu nominieren. Dieser werde dann am 13. September während einer Wahlkreisversammlung gewählt und unverzüglich dem Kreiswahlleiter gemeldet. Er gehe davon aus, dass die Nachwahl erst am 2. Oktober stattfinden könne, denn der neue NPD-Bundestagskandidat müsse ausreichend Zeit haben sich vorzustellen.

Linkspartei klagt gegen Nachwahl

Im Wahlkreis 160, der die Dresdner Bereiche Altstadt, Blasewitz, Leuben, Plauen und Prohlis umfasst, haben sieben Parteien Direktkandidaten aufgestellt. Bei der Bundestagswahl 2002 zählte der Wahlkreis Dresden I zu den engsten. Das Direktmandat gewann die CDU-Kandidatin Christa Reichard mit 33,8 Prozent der Stimmen vor Marlies Volkmer (SPD) mit 31,3 Prozent.

Damit durfte die sächsische CDU eine Abgeordnete mehr in den Bundestag schicken, als ihr nach dem landesweiten Zweitstimmenergebnis zustand. Dieses Überhangmandat kam zu Stande, weil die CDU sich in Sachsen durch Zweitstimmen nur 12 Sitze sicherte, aber 13 Wahlkreise gewann.

Bei der diesjährigen Wahl rechnet sich auch die Linkspartei.PDS, die ihre stellvertretende Bundesvorsitzende Katja Kipping aufgestellt hat, Chancen auf das Direktmandat aus. Deswegen will die Linkspartei die Bundestagswahl im Dresdner Wahlkreis 160 am 18. September notfalls mit juristischen Mitteln erzwingen.

Entsprechende rechtliche Schritte lasse er gegenwärtig prüfen, sagte Wahlkampfchef Bodo Ramelow der Thüringer Allgemeinen. Der Wahlkreis sei für seine Partei von strategischer Bedeutung, weil dort die sächsische Spitzenkandidatin Katja Kipping Aussichten auf ein Direktmandat habe. Ihre Chancen würden jedoch geschmälert, wenn sie bereits über die Landesliste in den Bundestag einziehe und danach erst die Nachwahlen stattfänden.

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