Kandidaten der Präsidentenwahl in Iran:Gemäßigter übernimmt Favoritenrolle

Kurz vor der Wahl um das Präsidentschaftsamt in Iran hat der gemäßigte Hassan Rohani dem systemtreuen Konservativen Said Dschalili die Favoritenrolle weggenommen. Im Rennen ist außerdem noch jemand, der "Super-Hisbullahi" genannt wird. Doch so unterschiedlich die Kandidaten auch sind, in einem Punkt sind sich alle einig.

Von Rudolph Chimelli, Paris

Es sind reglementierte Wahlen, aber dennoch kennt niemand das Ergebnis, wenn an diesem Freitag 50,5 Millionen Iraner aufgerufen sind, den nächsten Präsidenten zu bestimmen. Der Favorit der systemtreuen Konservativen ist Said Dschalili, ein zuverlässiger Diener des Geistlichen Führers Ali Chamenei. Die Welt kennt ihn als unnachgiebigen Unterhändler in den Atomverhandlungen. Aber seine Chancen erscheinen in vorletzter Stunde vermindert, weil seine wichtigsten konservativen Rivalen sich weigern, zu seinen Gunsten aus dem Rennen zu scheiden: Der Teheraner Bürgermeister Mohammed-Bagher Kalibaf, der frühere Außenminister Ali Akbar Welajati und Mohsen Resai, der einstige Kommandeur der Revolutionsgarden, halten ihre Kandidaturen trotz Einheitsbeschwörungen von höchster Stelle aufrecht.

Auf der anderen Seite hat der gemäßigte Hassan Rohani gewaltigen Auftrieb erhalten, weil die beiden Ex-Präsidenten Mohammed Chatami und Haschemi Rafsandschani ihm ihre Unterstützung erklärt haben. "Ich ersuche alle, besonders die Reformer und alle, die sich die Größe unseres Landes wünschen, an der Wahl teilzunehmen und für Herrn Rohani zu stimmen", betont der einstige Reform-Präsident Chatami. Rafsandschani wiederum, der gute Aussichten gehabt hätte, selbst gewählt zu werden, wenn ihn nicht das Geistliche Verfassungsgericht an der Kandidatur gehindert hätte, sagt über Rohani: "Nach meiner Meinung ist er am besten geeignet, die Exekutive zu führen." Als einziger Geistlicher unter den verbliebenen Kandidaten ist Rohani somit zur letzten Hoffnung für Reformer und Enttäuschte wie auch für Intellektuelle und das fortschrittliche Bürgertum geworden. Seine Versammlungen hatten zuletzt großen Zulauf.

Zuverlässige Meinungsumfragen gibt es in der Islamischen Republik nicht. Gegenüber der Agentur Mehr, die zehntausend Menschen befragte, erklärten sich zuletzt 17,8 Prozent für Kalibaf, 14,6 Prozent für Rohani, 9,8 Prozent für Dschalili, während 30 Prozent noch unentschieden waren. Eine andere inoffizielle Umfrage stellt Rohani an erste Stelle. Kein Kandidat dürfte im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten. Vielmehr deuten die Zahlen darauf hin, dass es im zweiten Wahlgang zu einer Entscheidung zwischen Rohani und einem Konservativen, mutmaßlich Dschalili oder Kalibaf, kommt. Immer wieder rief der Geistliche Führer zu einer hohen Wahlbeteiligung auf, die nach der umstrittenen Wiederwahl des jetzigen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad im Jahre 2009 zunächst nicht erwartet wurde. "Jeder muss wählen", verkündete Chamenei noch am Mittwoch. Auch wenn jemand aus irgendwelchen Gründen nicht die herrschende islamische Ordnung stützen wolle, "so will doch jeder das Land unterstützen".

"Super-Hisbullahi"

Keiner der Kandidaten stellt das Recht Irans auf den Ausbau der Atomindustrie zu friedlichen Zwecken infrage. Doch es gibt bedeutende Nuancen. Während des Wahlkampfs wurde Dschalili sowohl von Welajati als auch Rohani heftig dafür kritisiert, dass er die Verhandlungen mit dem Westen seit Jahren ohne jede Flexibilität führe. "Diplomatie ist nicht nur verbale Gewalt und Festigkeit, sondern Kompromiss und Einverständnis. Wir können nicht alles haben ohne Bereitschaft zu Gegenleistungen", sagte Welajati in einer Fernsehdebatte. Rohani verwies darauf, dass alle Schwierigkeiten des Landes auf den Streit mit Amerika zurückgingen. "Eine Politik des Abbaus der Spannungen hätten wir schon vor zehn Jahren beginnen müssen", sagte er. Als der heute 64-jährige Rohani unter Chatami Irans Atom-Unterhändler war, war die Anreicherung von Uran eingestellt. In seinen Gesprächen mit Deutschen, Franzosen und Briten kam er einer Einigung nahe, die den Iranern nur noch zehn bis zwanzig Zentrifugen für Forschung und Medizin gelassen hätte. Sie scheiterte am Einspruch der Vereinigten Staaten.

Für den 48-jährigen Dschalili schwärmen viele Mitglieder der Basidsch-Milizen und andere junge Extremisten. Die Zeitung Keyhan hat ihn den "Super-Hisbullahi" genannt. Seine Doktorarbeit schrieb er einst über die Außenpolitik des Propheten Mohammed. Soeben noch wurde zu seiner Unterstützung eine neue Gruppe gegründet, die sich "Anhänger des wahren Ahmadinedschad" nennt. Unterstützt wird Dschalili auch von Ayatollah Mesbah Jasdi, vormals geistiger Mentor des jetzigen Staatschefs. Aus seiner religiös geprägten Heimatstadt Maschhad zog der junge Dschalili in den Krieg gegen den Irak. Als 21-Jähriger erlitt er während der "Kerbela 5" genannten Offensive gegen Basra eine Verletzung am rechten Bein. Es musste amputiert werden, denn die Medikamente zu einer rettenden Behandlung fehlten. Sein Status als Veteran brachte ihn in den Beraterstab des Geistlichen Führers und sicherte ihm einen raschen Aufstieg im Außenministerium.

Kalibaf ist angesehen in der Metropole Teheran, deren Verkehrsausbau er in seinen acht Jahren als Bürgermeister vorangetrieben hat. Er war zuvor oberster Chef der iranischen Polizei, die er unter Bekämpfung der Korruption energisch modernisierte. Seine Karriere hatte er als Pilot der Streitkräfte begonnen.

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