Kandidat in der Präsidentschaftswahl:Ein Abdullah für ganz Afghanistan

Kandidat in der Präsidentschaftswahl: Präsidentschaftskandidat mit guten Aussichten: Abdullah Abdullah (rechts).

Präsidentschaftskandidat mit guten Aussichten: Abdullah Abdullah (rechts).

(Foto: AFP)

In Kabul galt Abdullah Abdullah lange als nicht wählbar, nun liegt er bei der Präsidentschaftswahl in Afghanistan vorne. Der ehemalige Außenminister will sogar mit den Taliban verhandeln.

Von Tobias Matern

Der Mann ist flexibel, selbst in einer sehr persönlichen Angelegenheit. Eigentlich benutzt Abdullah wie viele seiner Landsleute nur einen Namen. Doch während seiner Zeit im Widerstand gegen das Taliban-Regime bekamen die ausländischen Berichterstatter in Afghanistan öfter Ärger mit ihren Redaktionen in der Heimat, wie der Kriegsreporter Dexter Filkins in seinem Buch "The Forever War" beschreibt: Wir brauchen einen Vor- und einen Zunamen, forderten die Zentralen. So wurde aus Abdullah Ende der Neunzigerjahre einfach Abdullah Abdullah.

Abdullah stört sich nicht an den Marotten ausländischer Medien. Auch sein Wahlkampf-Team verwendet den einfachen Doppelnamen, der im Volk wenig verbereitet ist. Der ehemalige Außenminister weiß die Bedürfnisse der Journalisten zu bedienen. Neben den zentralen Sprachen seines Heimatlandes, Dari und Paschtu, spricht er nicht nur fließend Englisch, sondern auch passables Französisch. Seine Kontakte zu den westlichen Regierungen sind gut, das könnte sich bald auszahlen: Nach vorläufigen Ergebnissen ging die erste Runde der Präsidentschaftswahl mit 45 Prozent an Abdullah. Er ließ den früheren Finanzminister Ashraf Ghani deutlich hinter sich.

Im Juni wird es nun zu einer Stichwahl zwischen den beiden ehemaligen Ministern kommen. Bis dahin müssen noch zahlreiche Wahlbeschwerden abgearbeitet werden. Abdullah geht als Favorit in die entscheidende Abstimmungsrunde, auch wenn die wichtigste Phase des Taktierens nun erst in vollem Gange ist und es eine Reihe von Unklarheiten gibt: Welcher der unterlegenen Kandidaten trommelt für welchen Bewerber? Kann Abdullah im paschtunischen Lager genug Stimmen einsammeln, oder schart sich die größte Ethnie Afghanistans geschlossen hinter Ghani?

Lange Zeit hieß es in Kabul: Abdullah kann in Afghanistan vieles werden, nur nicht Präsident. Denn der gelernte Augenarzt hat zwar einen paschtunischen Vater, aber eine tadschikische Mutter. Und das galt bislang als Ausschlusskriterium für das Amt. Es wäre nicht die einzige positive Entwicklung dieser Wahl, wenn er das ungeschriebene Gesetz widerlegen könnte. Offenbar ist bei der Abstimmung deutlich weniger betrogen worden als noch vor fünf Jahren. Und Präsident Hamid Karsai zeigt bislang in den letzten Tagen seiner Amtszeit Größe, indem er den ersten demokratischen Machtwechsel in der Geschichte Afghanistans zu akzeptieren scheint.

Perspektiven für die junge, urbane Generation

Das mag damit zu tun haben, dass Abdullah Karsai in seine Regierung einbinden will. Der frühere Außenminister hatte sich einst mit dem Präsidenten überworfen, aber inzwischen pflegen sie zumindest einen pragmatischen Umgang miteinander. Zwar leide Afghanistan nach der Ära Karsai unter "einem sehr korrupten administrativen System, das von seiner Vetternwirtschaft beschädigt wird", wie Abdullahs Sprecher Sayed Fazel Sangcharaki der Süddeutschen Zeitung sagte.

Aber dennoch werde Abdullah als Präsident sicherstellen, dass Karsais "Ansehen und Würde" gewahrt bleibe. "Sein politisches Wissen und seine Erfahrung werden in der nächsten Regierung genutzt", betonte Sangcharaki. Der einzige Präsident, den Afghanistan seit dem Sturz der Taliban bislang hatte, werde eine beratende Funktion erhalten und eine "einflussreiche Figur" bleiben.

In anderen Punkten bleibt Abdullah vage, etwa bei der Frage, wie er im Falle seines Wahlsiegs die darbende Wirtschaft ankurbeln und neue Jobs schaffen will. Mehr als die Hälfte der Afghanen ist jünger als 25 Jahre. Gerade in den urbanen Zentren wächst eine motivierte, politische Generation heran, die aber kaum Perspektiven aufgezeigt bekommt. Festgelegt hat sich Abdullah indes bereits, dass er ein Abkommen unterzeichnen wird, damit von 2015 an einige Tausend westliche Soldaten in Afghanistan bleiben können. Karsai hatte dies mit den USA zwar ausverhandelt, aber nicht unterzeichnet - der Schlusspunkt einer zerrütteten Beziehung.

Wahlkampf in Taliban-Hochburgen

Abdullah verbrachte während der sowjetischen Besatzung einige Zeit als Arzt in einem afghanischen Flüchtlingscamp in Pakistan. Später stand er an der Seite des berühmten Widerstandskämpfers Ahmad Shah Massoud, der mit seinen Truppen einige wenige Landstriche gegen die Taliban verteidigte. Massoud starb kurz vor dem 11. September 2001 bei einem Anschlag. Abdullah lässt sich durch das Schicksal seines Vertrauten nicht abschrecken - er absolviert Wahlkampfveranstaltungen in Taliban-Hochburgen und sucht dabei den direkten Kontakt zu seinen Anhängern.

Als Präsident werde er dafür sorgen, dass der Friedensprozess mit den Aufständischen neuen Schwung erhalte, kündigt Abdullah an. "Die Taliban haben ein Interesse an Verhandlungen mit einer mächtigen politischen Front, die tief in der Gesellschaft verwurzelt ist", sagt sein Sprecher Sangcharaki. Ob die Aufständischen das auch so sehen und mit einem Mann verhandeln wollen, der früher ihr Todfeind war? Das werden erst die Monate nach der Wahl zeigen - falls Abdullah tatsächlich in den Präsidentenpalast einzieht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: