Kandel:Baustelle verhindert rechte Aufmärsche

Demonstrationen in Kandel

Immer wieder fordern Gegendemonstranten ein Ende der Aufmärsche in Kandel.

(Foto: dpa)
  • Seit dem Mord an einem Mädchen durch einen Asylbewerber Ende 2017 im pfälzischen Kandel demonstrieren dort jeden Monat Rechtspopulisten.
  • Dabei macht ein "Frauenbündnis" gegen Flüchlinge mobil.
  • Wegen einer Straßensanierung können die Rundgänge durch den Ort vorerst untersagt werden.

Von Susanne Höll

Aus dem pfälzischen Kandel sind gute Neuigkeiten zu verkünden. Dort gibt es eine neue Großbaustelle: Die viel befahrene Rheinstraße, Teil der Bundesstraße 427, wird saniert. Das bedeutet Sperrungen, Umleitungen, Staus und sonstigen Unbill, den viele Einheimische zwar nicht freudig, aber vergleichsweise gern in Kauf nehmen. Denn mit der Baustelle ist zumindest vorerst der Spuk jener Samstagsdemonstrationen vorbei, mit denen ein Bündnis aus Rechtspopulisten und Fremdenfeinden das Städtchen ein Jahr in Geiselhaft genommen hatte.

Nachdem ein junger Asylbewerber aus Eifersucht seine 15 Jahre alte Ex-Freundin Mia nach Weihnachten 2017 erstochen hatte, zog ein sogenanntes Frauenbündnis jeden ersten Samstag im Monat durch den Ort, manchmal auch öfter, und wollte gegen Flüchtlinge mobil machen. Die allermeisten Teilnehmer stammten von auswärts, Gegendemonstranten fanden sich ein, die Polizei auch, Hubschrauber kreisten in der Luft, es kam zu Rangeleien und unschönen Szenen. Viele Menschen im Ort waren entsetzt, sahen das Andenken an Mia missbraucht und fühlten sich belagert.

Der Bürgermeister rechnet trotzdem mit weiteren Aktionen

Die Rettung bringt nun die Baustelle. Eigentlich, so Bürgermeister Volker Poß, hätte die Straßensanierung schon ein halbes Jahr früher beginnen sollen. Aber bei solchen Projekten kommt es oft zu Verzögerungen. Kandel wäre manches erspart geblieben, wenn die Arbeiten im Sommer gestartet wären. Egal. In den nächsten zwei Jahren, so hofft der Sozialdemokrat Poß, wird der Ort von weiteren hässlichen Spektakeln verschont bleiben.

Denn der Initiator der Demos besteht auf Rundgängen durch den Ort. Kundgebungen an einem festen Standort sind offenbar nicht der Fall des Mannes, der hinter dem "Frauenbündnis" steht. Vielleicht auch, weil ihm Protestgruppen die Lust an Steh-Demos verdorben haben. Die nämlich quatschten vergangenes Jahr mit Megafonen den ausländerfeindlichen Rednern dazwischen und brachten sie so durcheinander. Fußmärsche durch Kandel aber lassen die Rettungskräfte in der Bauzeit nicht mehr zu. Die übrigen Straßen im Zentrum müssten als Rettungswege für Notfälle frei gehalten werden, argumentiert die Feuerwehr.

Ist der Albtraum also gebannt? Bürgermeister Poß, der nach dem Mord an Mia wegen seiner Warnungen vor Hass und Gewalt selbst bedroht worden war, ist vorsichtig. "Warten wir ab", sagt er. Das "Frauenbündnis" hat in Kandel einen eigenen Verein gegründet. Poß und andere rechnen mit weiteren, allerdings kleineren Aktionen, über welche die Stadt zu ihrem Unwillen im Amtsblatt informieren muss. Der Bürgermeister hatte versucht, diese Pflicht anzufechten, war aber vor dem Verwaltungsgericht unterlegen.

Mangels Flächen in Kandel zog die Februar-Demo der Populisten durchs nahe Wörth. Dort fanden sich nach Polizeiangaben nur etwa 50 Unterstützer ein, 400 Gegner feierten derweil ein Fest der Demokratie, unterstützt von Politikern, Kirchen, Gewerkschaften, Anti-Rassismus-Organisationen, demokratischen Kandel-Aktivisten und der örtlichen Feuerwehr. Die einst ziemlich zerstrittenen Gruppen, die in Kandel monatelang getrennt gegen die samstäglichen Aufmärsche auf die Straßen gingen, vertragen sich inzwischen viel besser.

Ein Treffen brachte Anfang Januar allseits die Erkenntnis, dass sich Demokraten nicht spalten lassen sollten. Die Organisationen "Wir sind Kandel" und "Kandel gegen Rechts" sehen ihre Aufgabe trotz der Demo-Pause als nicht vollbracht. Matthias Dieckhoff, einer der Aktivisten, sagt, man werde genau schauen, ob und wer aus der rechtsextremen Szene in der Region womöglich jene Lücke füllen will, die das rechtspopulistische Bündnis hinterlassen könnte.

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