Kanada:Voller Hass auf den Islam

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Alexandre Bissonnette, 27, hat sich nach einem Kanada-Besuch der Front-National-Chefin Marine Le Pen radikalisiert, wie frühere Schulkollegen berichten. Jetzt steht er unter Mordverdacht. (Foto: Reuters)

Bekannte beschreiben den mutmaßlichen Täter von Québec als radikalisierten Studenten.

Von Bernadette Calonego und Frank Nienhuysen, Vancouver/München

"Diesen Ort werde ich eines Tages besuchen", schrieb Alexandre Bissonnette auf seiner Facebookseite über ein Foto der wilden Torngatberge in Labrador. Dazu aber wird es nach seinem tödlichen Angriff auf eine Moschee in Québec nicht kommen. Die Polizei hat den 27-jährigen Kanadier des sechsfachen Mordes und mehrfachen Mordversuchs beschuldigt. Als er am Montag in Québec dem Richter vorgeführt wurde, war er weiß gekleidet, hielt den Kopf gesenkt und blieb stumm.

Die Polizei untersuchte noch immer die Umstände und Motive, die zum Massaker in der Moschee führten, wo Bissonnette am Sonntagabend um kurz vor acht Uhr sechs Männer tötete, unter ihnen einen Universitätsprofessor. Vier Opfer wurden schwer verletzt. Was genau den Studenten der Politikwissenschaft zum Massaker an unschuldigen, betenden Muslimen motivierte, war zunächst unklar. Ehemalige Schulkameraden erzählten jedoch der Zeitung Globe and Mail, dass er sich nach einem Québec-Besuch der französischen Rechtspolitikerin Marine Le Pen im vorigen März auffällig radikalisiert habe. Wegen seiner Unterstützung Le Pens und Donald Trumps habe Bissonnette von da an immer wieder Konflikte mit Mitstudenten an der Universität Laval in Québec gehabt.

Hinweise auf seinen Hass auf den Islam und auf seine Sympathien für die äußerste Rechte kamen nicht nur von Jugendfreunden, sondern auch von der Flüchtlingsorganisation "Bienvenue aux refugiés" auf Facebook. Sie bezeichnete Bissonnette als "Online-Troll", der den Aktivisten schon früher durch extreme und menschenfeindliche Kommentare aufgefallen sei. Nach kanadischen Medienberichten unterstützte er unter anderem eine Organisation, die sich gegen jede Form von Multikultur ausspricht. Ein Bekannter sagte dem Journal de Québec, Bissonnette sei "sehr rechts", "ultra-nationalistisch" und glaube an die "Vorherrschaft von Weißen" über Menschen anderer Hautfarbe.

Eine derartige Gewalttat hat dem introvertierten Studenten allerdings aus seinem Umfeld niemand zugetraut. Eine Nachbarin beschrieb den Studenten als sehr zurückgezogen, "sie hätten keine ruhigere Person finden können", sagte sie dem kanadischen Fernsehen CBC. Ehemalige Mitschüler erzählten, früher sei Bissonnette wegen seiner altmodischen Kleider und dünnen Statur von Klassenkameraden gehänselt worden. Er habe hässliche Bemerkungen aber jeweils locker gekontert.

In Kanada hat die Tragödie nicht nur zu großen Solidaritätskundgebungen, sondern auch zu einem Schulterschluss über die Parteigrenzen hinweg geführt. Premierminister Justin Trudeau richtete sich im Parlament an die muslimische Bevölkerung: "Wir sind mit euch; 36 Millionen Herzen sind gebrochen wie die euren." Alle führenden Politiker Kanadas verurteilten die Gewalttat und versuchten zunächst nicht, aus ihr politisches Kapital zu schlagen. Nur der Sprecher des US-Präsidenten Trump, Sean Spicer, rechtfertigte das Einreiseverbot für Muslime in den USA zunächst mit dem Attentat in Québec. Als dann bekannt wurde, dass es sich beim mutmaßlichen Mörder nicht um einen Muslim, sondern um einen weißen Kanadier aus Québec handelt, schwieg das Weiße Haus.

Die liberale kanadische Regierung von Premier Trudeau hat sich ausdrücklich einer liberalen Flüchtlingspolitik verschrieben und setzt sich damit deutlich vom neuen US-Präsidenten Trump ab. Die Regierung in Ottawa unterstützt mit diversen Programmen die Integration von Einwanderern, Trudeau selbst war dabei, als die ersten Flüchtlinge aus Syrien in Kanada landeten. Trudeau will die Jahrzehnte lange Tradition der Einwanderung in Kanada fortsetzen.

Der Apotheker Azzeddine Soufiane kam etwa schon in den Achtzigerjahren aus Marokko nach Kanada. Als die Moschee in Québec vor einigen Jahren an seinen jetzigen Ort umzog, sagte er damals in einem Interview über ein paar islamfeindliche Parolen noch, "ich bin schon so lange hier und habe nie Probleme gehabt. Wir leben in Frieden und wollen dies auch weiterhin tun." Jetzt ist Soufiane eines der Opfer.

© SZ vom 01.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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